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Gegen den Rückfall in alte Dogmen

■ Bündnisgrüner Strategiekongreß im Herbst soll Widersprüche zwischen Basis und Funktionsträgern glätten

Bonn (taz) – Aufgeatmet hat die grüne Basis, als kürzlich die Bundestagsabgeordneten der Partei mit nur vier Ausnahmen gegen den Tornado-Einsatz in Bosnien stimmten. „Seither ist Ruhe“, kommentiert Heide Rühle das Abebben der Verratsvorwürfe an die eigene Fraktion. Der politischen Geschäftsführerin der Bündnisgrünen gefällt der neue Stillstand freilich nicht. Denn die notwendige Weiterentwicklung grüner Außenpolitik wird nicht dadurch befördert, daß die programmtreue Basis sich nun in Übereinstimmung mit den Abgeordneten aalt.

Nicht nur für die Außenpolitik gilt eine Tendenz, die Heide Rühle in ihrer Partei beklagt: „Wenn kritische Ansätze kommen, wird eher wieder auf alte Dogmen zurückgegriffen.“ Die Außen- und Sicherheitspolitik ist eines von drei großen Themen, über die Bündnisgrüne Ende September auf einem Strategiekongreß in Bonn diskutieren wollen. Es geht auch um Frauenpolitik (Diskussionstitel: „Feministinnen und Tankgirls“) und eine kritische Bilanz rot-grüner Koalitionen.

Eine Standortbestimmung grüner Politik und „kritische Spiegelung“ der Partei durch Wissenschaft, Publizistik und soziale Bewegungen erhofft sich die Geschäftsführerin von dem Bonner Treffen. Der Erwartungsdruck an die mittlerweile drittstärkste politische Kraft ist hoch. Aussagen über Grenzen grüner Handlungsmöglichkeiten und Defizite der Partei aber, so weiß Heide Rühle, werden von den Mitgliedern eher angenommen, wenn sie von außerhalb der Partei kommen.

Der Perspektivkongreß soll deshalb Entwicklungsmöglichkeiten ausloten, ohne durch Provokation der oft empfindlichen und gegenüber Bonner „Funktionsträgern“ ohnehin mißtrauischen Basis neue Blockaden aufzutürmen (Rühle: „Provozierende Aussagen haben uns immer zurückgeworfen“). Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik hat unter den wenigen Experten die Diskussion längst begonnen. Das Problem ist die Vermittlung der Vorwärtsbewegung an die Mitglieder.

Nicht zur zu selbstkritischen, auch zu stolzen Tönen sah Heide Rühle gestern bei der Vorstellung des Kongresses Anlaß: „Wir sind die einzige Partei, die derzeit einen Mitgliederzuwachs aufweisen kann.“ Rund 45.000 Menschen sind bei den Bündnisgrünen organisiert. Der Frauenanteil stieg kontinuierlich und ist mit 37 Prozent höher als bei allen anderen Parteien. Eine Organisation der Jugend sind die Grünen aber längst nicht mehr: Weniger als drei Prozent der Mitglieder sind jünger als 25 Jahre. Auch diesem Widerspruch wollen sich die Grünen im September stellen. Arbeitstitel: „Forever young?“ Hans Monath

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