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Wie uns die FDP einmal einen ausgab Von Martin Sonneborn

Dr. Hermann Otto Solms hatte ins Deutsche Historische Museum eingeladen. Vertreter seiner Trümmerpartei sollten am Berliner Buffet mit Kulturschaffenden über Kultur und Politik diskutieren. Klar, daß Herr Krähe und ich auch hingingen. Zumal wir uns auf ein kulturkritisches Zwiegespräch am Buffet freuen durften: Herr Krähe ist nämlich kulturschaffend (Jazz), und ich bin FDP-Parteimitglied. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wir hatten gerade ein Bier geordert, da begannen die versammelten Politprofis, sich unauffällig auf die Gäste zu stürzen. Ein grauhaariges Männchen drängte sich in unseren Disput zur Kultur des Tischfußballspiels und stellte sich als van Essen vor. So, dann wollen wir mal über Kultur sprechen, zwinkerte er uns zu, und angesichts des üppigen Buffets gaben wir uns jovial: Na, dann legen Sie mal los! Der Politfuchs strahlte: Haben Sie schon den verpackten Reichstag gesehen? Herrlich! Und erklärte, daß er persönlich ja auch dafür gestimmt habe, seinerzeit... Herr Krähe hakte ungläubig ein und fragte, ob das etwa bedeuten solle, er, van Essen, sei MdB? Aber natürlich, trompetete der beleidigt und erzählte uns von dem historischen Treffen Christo–van Essen, welches Christo auch ausführlich in seinem Buch schildere, während er, van Essen, das doch eigentlich längst vergessen hatte, obwohl ihm doch Christo damals dieses handsignierte Plakat mitgebracht habe, das es jetzt für 650 Mark in Galerien gebe. Bestechung sei das aber nicht gewesen, hahaha...

Wir entwischten van Essen ans liberale Buffet und diskutierten dort kritisch über Torschüsse aus der Mittelfeldreihe, als sich ein bulliger Mittfünfziger mit konsequent beladenem Teller vollmundig entschuldigte, daß er uns nicht kenne. Macht nichts, trösteten wir ihn, wir kennen Sie ja auch nicht. Sollten Sie aber, kaute er gewaltig weiter und offenbarte uns, daß er der Schäfer sei. Herr Krähe warf ein, es gebe viele Schäfer, er denke da etwa an Winfried (Szenekennern als Trainer des KSC bekannt) und Hans (Kölner Linksaußen, Weltmeister von 1954).

Während der FDP-Schäfer sich ein halbes Schwein mit Sahne zwischen die malmenden Kiefer schob, korrigierte er ungnädig, nein, es gebe ledigich zwei, und er sei Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, im übrigen ziehe er demnächst nach Berlin... Das nahm er sodann als Vorwand, uns ungefragt die Ost-West-Problematik zu erklären. Und zu verraten, daß die Leute im Osten Feuer brauchten, Druck, dann gehe das schon, man sehe es in Berlin-Mitte... Als er dann noch monierte, daß wir viel zu viele Bundesländer hätten, so ein Unsinn, das müssen weniger werden, nutzten wir unsere Chance: Zumindest in dieser Frage ist die FDP ja sehr konsequent! Schäfer hielt mißtrauisch mit dem Kauen inne: Wie meinen Sie das jetzt? – Na, die Partei zieht sich doch aus allen Landesregierungen zurück! Sekunden später verabschiedete sich Deutschlands Mann in der großen, weiten Welt, und Herr Krähe und ich konnten endlich unser Gespräch fortsetzen.

Als wir gesättigt den Heimweg antraten, kam uns noch der Abgeordnete Kleinert entgegen. Bierselig ließ er den Zeigefinger in der Luft kreisen und brach in ein freundlich-liberales RRRRR aus. Kein Zweifel, die Partei hat was.

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