piwik no script img

Umverteilen von unten nach oben

■ betr.: „Bafög-Darlehen soll ver zinst werden“, „Zinsknechtschaft für Studenten“, taz vom 5. 7. 95, „Vom Kollektiv zur Zwangsfami lie“, „Haushaltsloch geflickt“, taz vom 6. 7. 95, „Völlig lebens fremd“, taz vom 7. 7. 95

Inzwischen ist unserer „christlichen“ Regierung anscheinend jedes Mittel recht, um die Umverteilung des Kapitals von „unten“ nach „oben“ voranzutreiben.

Wenn Studenten demnächst Zinsen auf ihr Bafög-Darlehen bezahlen müssen und WGs gesetzlich dazu verpflichtet sind, für ihre mittellosen Mitbewohner aufzukommen, wenn der Bundeshaushalt 1996 in den Bereichen Familien, Renten und Soziales gekürzt wird, dann ist bestimmt wieder genug Geld im Staatssäckel, um die Diäten zu erhöhen und die Industrie beim Arbeitsplatzabbau zu unterstützen. Ulrich Berg, Siegen

Die Auswirkungen des neuen §16 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) werden leider nicht richtig dargestellt. Der „Reform“-Vorschlag bedeutet nicht, daß das Sozialamt die Mitglieder einer Wohngemeinschaft tatsächlich verpflichten kann, für eineN MitbewohnerIn Unterhalt zu leisten. Wohl aber sollen die Sozialämter künftig so tun dürfen, als würden die MitbewohnerInnen für den/die HilfesuchendeN zahlen. Ohne auf die Notwendigkeit hingewiesen zu werden, muß der/die Hilfesuchende dann von sich aus der Behörde darlegen, daß er/sie nicht unterstützt wird, und er/sie muß dies auch noch beweisen können. Das wird nur gut informierten und selbstbewußten AntragstellerInnen gelingen. Die meisten aber werden dieses perfide Spiel nicht durchschauen und so ganz legal um ihre Rechte geprellt.

Der Seehofer-Vorschlag ist nichts anderes als die Legalisierung der Verarschung zugunsten der Staatskasse. Bertram Wende, Dortmund

Hurra, jetzt soll es BaföG nur noch gegen Zinsen geben! Was sich aus der Perspektive des Finanzministers als scheinbar vernünftiger Spar-Vorschlag anhört, verdeutlicht aber eigentlich nur die konservative Denke: Da man die Abläufe auf dem Kapitalmarkt erst gar nicht grundsätzlich hinterfragt, scheint es nur folgerichtig, daß staatliche Darlehen auch zu verzinsen sind.

Wie wäre es denn mal, den Spieß umzudrehen: Man stelle sich einen Zukunfts- und Bildungsminister vor, der gemeinsam mit seiner Finanzministerin die Abschaffung jeglicher Zinsen auf dem Kapitalmarkt fordert und auch durchsetzt! Zinsen werden als Relikte althergebrachter Zeiten entlarvt und mit dem sozialen Wesen des Bundesstaates (gemäß Grundgesetz) für unvereinbar erklärt. Die private Bereicherung durch die Zurückhaltung des öffentlichen Tauschmittels Geld gegen Zahlung von Zinsen fände ein Ende und der schier endlos (und wahnsinnigerweise exponentiell!) wachsende Zinseszins-Effekt wäre endlich gestoppt. Die Schuldenspirale hörte auf, sich ins Unendliche zu drehen und die Haushalte von Bund und Ländern könnten wirklich konsolidiert werden.

Träumerei oder gar Spekulation? Nein, spekulieren tun leider immer noch andere: ungeniert und ungehindert mit Geld und mit Grund und Boden, leider noch nicht mit neuen Ideen. StudentInnen, die sich argumentativ gegen die BaföG-Verzinsung wappnen wollen, sollten sich mal die Publikationen von Margrit Kennedy und Helmut Creutz zu einem zinsfreien Geldsystem aus der Bibliothek holen. Arno Schelle, Hannover

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen