: Weniger Kriminalität
■ Minister Kanther findet dennoch Argumente für großen Lauschangriff
Bonn (taz) – Zum ersten Mal seit sechs Jahren hat die Polizei 1994 wieder einen Rückgang der Straftaten, und zwar um 3,2 Prozent, festgestellt. Es gab deutlich weniger Diebstähle von Kraftfahrzeugen, Wohnungseinbrüche und Straßenkriminalität. Auch Gewaltdelikte wie Vergewaltigung, Raub, räuberische Erpressung sowie Mord und Totschlag sind um knapp drei Prozent gesunken.
Für Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) ist das allerdings kein Grund zum Aufatmen. Bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 1994 betonte er gestern, der große Lauschangriff sei insbesondere zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität „unverzichtbar“. Der durch diese verursachte Schaden habe sich 1994 auf 3,45 Milliarden Mark belaufen. Tatverdächtige in diesem Bereich gehörten den verschiedensten Nationen an, so daß es schwierig sei, Einblick in solche Gruppen zu gewinnen, erklärte Kanther.
Deutlich gestiegen ist die Wirtschaftskriminalität – um 34,7 Prozent. Mit jeweils rund acht Prozent stellte die Polizei auch mehr Rauschgift- und Umweltdelikte fest. Die weitere Zunahme der registrierten Kokain- und Amphetaminfälle zeige, daß eher die „Leistungsdrogen“ als „euphorisierende Stimmungsmacher“ gefragt seien.
Erschreckend hoch ist nach der Kriminalstatistik von 1994 die Zahl der „tatverdächtigen deutschen Kinder“. Ihre Zahl ist um 19,4 Prozent gestiegen. Die Zahl der jungen Straftäter ab acht Jahre ist danach in den alten Bundesländern einschließlich Berlin um 15,5 Prozent, in den neuen Ländern um 27,2 Prozent gestiegen. Bei Raub und räuberischer Erpressung stieg die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen im Vergleich zu 1993 im Westen um 31,6, im Osten gar um 66,1 Prozent. Die Ursachen dieser Entwicklung müßten erforscht werden, sagte Kanther, seien aber sicher auch in der Erziehung zu finden. Dazu sagte der Vorsitzende der Länderinnenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD): „Nur eine gute Sozialpolitik ist eine gute Kriminalpolitik.“ Ziel verwies auch darauf, daß die Angst der Bevölkerung vor Straftaten trotz objektiv rückläufiger Tendenz nicht sinke. „Der internationale Vergleich zeigt aber, daß alle Deutschen sich mehr fürchten als die Menschen in anderen Ländern, obwohl die Kriminalität bei uns nicht schlimmer ist als anderswo.“ Karin Nink
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