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Gestern Srebrenica, heute Žepa, morgen Sarajevo? Der UN-Sicherheitsrat berät

■ Bosnische Serben setzen bei Srebrenica hilflose UN-Soldaten und Zehntausende Flüchtlinge fest Letzter Blauhelm-Stützpunkt in der UN-Schutzzone gefallen / UNO streitet über Resolution

Berlin (taz) – Das Leiden in Bosnien hat viele Namen – gestern kam ein neuer hinzu. In Potocari, einem Stützpunkt der UNO in der Nähe von Srebrenica, sammelten sich im Laufe des Tages mehr als 30.000 Menschen, die die UN-Schutzzone nach der Eroberung durch die bosnischen Serben verlassen hatten. Schnell wurde klar, daß auch Potocari ihnen keine Sicherheit bieten konnte. Am Nachmittag, so meldeten übereinstimmend die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ und die UNO in Sarajevo, hätten die bosnischen Serben das Basislager von rund 400 niederländischen Blauhelmen kampflos eingenommen und mit dem Abtransport der Flüchtlinge in ein fünf Kilometer entferntes Fußballstadion begonnen. Hier soll bei allen Männern über sechzehn überprüft werden, ob es sich um „Kriegsverbrecher“ handele.

Viel mehr war über die Lage vor Ort jedoch nicht zu erfahren. Denn Journalisten konnten bisher weder nach Srebrenica noch in die ebenfalls von den Serben bedrohte UN-Schutzzone Žepa fahren. Der Kontakt mit Amateurfunkern vor Ort brach nach der Eroberung Srebrenicas am Dienstag nachmittag völlig zusammen.

Um den Flüchtlingen in Potocari zu helfen, wollte das UNHCR noch gestern zwei Hilfskonvois auf den Weg bringen. Nach Angaben von zwei Mitarbeitern der „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), die die Flüchtlinge begleiteten, reichen die Notrationen des Stützpunkts noch für einen Tag. Dramatisch sei vor allem die Wasserversorgung. Es steht nur ein Liter pro Person und Tag zur Verfügung. Überhaupt keine Nahrung haben die mehreren tausend Flüchtlinge, die sich aus Furcht vor den Serben in den Bergen verstecken. Am Morgen hatte der Militärchef der bosnischen Serben damit gedroht, auf die Flüchtlinge zu schießen, wenn es wie am Dienstag zu Luftangriffen der Nato kommen sollte. Übergriffe der serbischen Soldaten wurden bisher jedoch nicht bekannt.

In Srebrenica lief gestern um 10 Uhr ein Ultimatum ab, das die bosnischen Serben der Regierungsarmee zur Abgabe ihrer Waffen gestellt hatten. Militärchef Ratko Mladić forderte die noch in der Stadt verbliebenen Einwohner auf, diese zu verlassen. Die Serben würden Busse bereitstellen, mit denen die rund 5.000 Muslime in ein bosnisch kontrolliertes Gebiet gebracht werden sollen. Eine ähnliche Lösung könnte sich auch für die Flüchtlinge in Potocari ergeben. So prüft die UNO die Möglichkeit, sie durch einen Korridor in die UN-Schutzzone Tuzla zu bringen.

Der Weltsicherheitsrat in New York wollte noch letzte Nacht eine Resolution zur Lage in Bosnien verabschieden. Darin werden die Serben aufgefordert, sich freiwillig aus Srebrenica zurückzuziehen. Sollten sie dies nicht tun, werde die UN- Schutzzone gemäß Kapitel VII der Charta mit dem Einsatz von Gewalt wiederhergestellt. Die Rückeroberung der Schutzzone soll nach den Vorstellungen Frankreichs zur ersten Aufgabe der sogenannten Schnellen Eingreiftruppe der UNO werden. Der Resolutionstext war von den europäischen Staaten und den USA eingebracht worden, stießen jedoch nach Informationen aus Diplomatenkreisen auf Widerspruch bei Rußland und China. Statt Gewalt anzuwenden, solle man weiter auf Verhandlungen setzen.

Diese Ansicht vertrat gestern auch der Sonderbeauftragte der UN für Jugoslawien, Yasushi Akashi. Eine Rückeroberung von Srebrenica halte er für ausgeschlossen. Vollkommen verunsichert über die Zukunft der Mission der Vereinten Nationen in Bosnien scheint indes ihr Generalsekretär zu sein. Butros Ghali sprach sich zwar während der Kämpfe um Srebrenica wiederholt für den Verbleib der Blauhelme im Kriegsgebiet aus. Andererseits jedoch bezeichnete er in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Figaro den momentanen Auftrag der UNO als „unerfüllbar“. Bosniens Präsident Alija Izetbegović kündigte an, das UN-Mandat für Bosnien nach seinem Ablauf im November nicht mehr zu verlängern.

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10

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