piwik no script img

Knackies sollen umziehen

■ Senat: Bremerhavener JVA soll nach Bremen / BeamtInnen und Personalrat sind sauer: „Das ist doch nichts als blinder Aktionismus.“

Herbert Walter, stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt in Bremerhaven, ist auf die Große Koalition nicht gut zu sprechen: Ziffer 33 des Koalitionsvertrags will ihn und seine 48 Kollegen ganz oder teilweise in die Justizvollzugsanstalt nach Oslebshausen versetzen.

Darüber hinaus soll das Justizvollzugsamt abgeschafft werden. Die Behörde, die für die Verwaltung der einzelnen Anstalten zuständig ist, soll künftig einer Bremer Justizvollzugsanstalt (JVA) zugeordnet werden, für die nur noch ein Leiter zuständig ist. Sämtliche Justizvollzugsanstalten sollen in dieser Anstalt aufgehen. Der Personalrat hält von diesen Plänen der Koalitionäre nichts. „Das ist blinder Aktionismus für nichts und wieder nichts“, schimpft Walter Stelljes vom Justizvollzugsamt in Bremen.

„Das ist wieder mal so eine Sache, die sich die Herren Politiker am Schreibtisch ausgedacht haben, ohne zu bedenken, was es für die Leute bedeutet“, empört sich auch Herbert Walter. „Bevor ich nach Bremen gehe, trete ich lieber in den Ruhestand.“ Auch seine KollegInnen sind alles andere als begeistert: „Die Stimmung ist gereizt“, erzählt Walter. „Viele haben sich Eigentumswohnungen gekauft oder Häuser gebaut. Wenn die jetzt auch noch jeden Tag die Fahrtkosten nach Bremen berappen müssen, kommen die nicht mehr klar.“

Auch für die zur Zeit 98 Insassen, die ebenfalls nach Oslebshausen umziehen müßten, sieht Walter schwarz: „Wenn die in Bremen einsitzen, bekommen sie keinen Besuch mehr aus Bremerhaven. Die Angehörigen haben nicht das Geld, immer nach Bremen zu fahren. Da werden ganze Familien kaputtgehen, und die Resozialisierung wird in Frage gestellt. Daß Bremerhaven mit seinen rund 150.000 Einwohnern keine Justizvollzugsanstalt (JVA) haben soll, ist für ihn geradezu „ein Witz, vor allem bei unserer Kriminalitätsrate.“

Das sieht Dr. Frank Lutz, Mitglied der Justizdeputation und justizpolitischer Sprecher der CDU, allerdings anders: „Für einen Zwei-Städte-Staat ist es nur logisch, darüber nachzudenken, die Justizvollzugsanstalten zusammenzulegen und die Aufgaben zu bündeln.“ Die Klagen der BeamtInnen versteht er nicht: „Wir haben ja schließlich eine Stadtautobahn. Es steht den Beamten ja frei, sich nach einer anderen Stelle bei der Justiz umzusehen, wenn sie nicht nach Bremen wollen“, argumentiert er. 49,2 Millionen Mark fehlten in der Kasse der Justiz. „Da haben wir keine andere Wahl, als zu sparen, wo es nur geht.“ Den Spareffekt zweifelt Karin Bober, Gewerkschaftssekretärin der ÖTV, allerdings an: „Alles was dabei herauskommt, ist ein Wahnsinns–Aufwand“, empört sie sich. „Die ganze Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt, dem Sozialamt, dem Gericht und den BewährungshelferInnen vor Ort ist gefährdet. Die Leute werden nur noch hin- und herfahren. Ich möchte mal wissen, wo da die Einsparungen bleiben.“

Senatsrat Hartmut Krieg, Abteilungsleiter Justizvollzug, versteht die Aufregung nicht. „Die Detailfragen sind doch noch gar nicht geklärt“, winkt er ab. Am 24. August setzen sich unter seiner Federführung AnstaltsleiterInnen, Personalräte und AmtsleiterInnen an einen Tisch. „Dann wird eine Vorlage für die Deputation ausgearbeitet.“ Einen allmächtigen Anstaltsleiter wird es in Bremen nicht geben, verspricht er: „Die Teil-Anstaltsleiter werden in Gremien einbezogen.“ Daß die JVA Bremerhaven nach Oslebshausen zieht, ist für ihn allerdings so gut wie sicher. „Das Gebäude wurde Anfang des Jahrhunderts erbaut. Die Sanierung hätte vier Millionen Mark gekostet. Und die haben wir einfach nicht.“ kes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen