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Mehr Mehrweg ohne mehr Weg

■ Biokost-Anbieter dezentralisieren ihr Pfandsytem: Kürzere Transportstrecken

„Die Mehrweggläschen wandern bei mir oft ins Altglas“, ärgert sich Siegfried Blanke, Inhaber eines Bioladens in Schöneberg. „Nur super sauber gespült nimmt der Hersteller sie zurück, aber die Kunden geben sie bei mir dreckig ab. Die Zeit, selber zu spülen, habe ich nicht.“ Seine Kollegin zeigt eine Shampooflasche, für deren Rückgabe es siebzig Pfennig Pfand gibt. Habe der Kunde die Flasche in den Laden zurückgetragen und sein Gewissen beruhigt, dann werde das Plastebehältnis von Henkel in Düsseldorf erst einmal eingeschmolzen, zusammen mit Perwoll-, Pril- und Persil-Flaschen. Also alles Schmuh? Gibt der Bio- Käufer viel Geld aus für wenig Ökologie?

„Wir müssen Kompromisse schließen“, kommentiert Hans-Josef Brzukalla, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Abfallvermeidung (AfA), die vier große Naturkosthersteller anfang des Jahres gegründet haben. Aber, beruhigt er, ab September könnten auch dreckige Nußmusgläschen zurückgegeben werden. Dann wird nämlich das gesamte Mehrwegsystem der deutschen Naturkosthersteller neu organisiert, und es gibt auch effektivere Spülanlagen. Mitarbeiter der AfA haben ein neues Rückführkonzept erarbeitet, dem sich nach Brzukallas Schätzungen rund 25 deutsche Öko-Produzenten anschließen werden: Bisher spülte jeder Grünkernpastenmixer seine Fläschen selber und füllte sie dann erneut mit eigenem Öko-Mix, wie in der traditionellen Nahrungsmittelwirtschaft auch. Jetzt sollen die Verpackungen nur noch bis zur nächstgelegenen Reinigungsanlange gebracht und von nahegelegenen Kollegen wiedergenutzt werden. Drei bundesweite Spülstellen gibt es jetzt, in Süddeutschland, im Rheinland und in der Nähe von Hamburg. Vor einem Jahr war es nur eine Großanlage. Dieses System funktioniert nur, weil die AfA dafür gesorgt hat, daß alle Bio-Mehrwegbehältnisse das gleiche Format und alle Hersteller passende Abfüllanlagen haben.

Mit dem neuen Verteilersystem führen die Öko-Produzenten Pfand auf alle Gläschen ein. „Ohne Pfand haben wir eine Rücklaufquote von 50 Prozent. Mit Pfand sind es bestimmt 70 Prozent“, schätzt Reiner Kutsch, seit dreizehn Jahren Biohändler in Steglitz. Außerdem will Brzukalla Marmelade ohne Gift künftig auch giftfrei verschließen: Erstmalig sollen Verschlüsse ohne PVC eingesetzt werden. Leider noch Fernziel sei, die Gläser leichter zu machen und damit den Transport energiesparsamer.

Hört sich gut an. Doch wie ist das Ergebnis der Öko-Bilanz? Schließlich werden alle Produkte mit LKWs weite Strecken durch die Republik gekarrt. „Eine Öko- Bilanz haben wir nicht“, gibt Brzukalla unumwunden zu. „Wir wollten handeln und nicht herumtheoretisieren. Das unterscheidet uns von der herkömmlichen Wirtschaft.“ Bis deren Öko-Beauftragte ein Standardisierungsverfahren für Verpackungen durchgeführt hätten, dauere es mindestens zehn Jahre.

Ideal natürlich, darin sind sich alle einig, ist das Nachfüllsystem. Bei Kutsch gibt es alles vom Waschmittel über Duschgel bis zur Milch im Nachfüllsystem. Auch hierbei geht es oft darum, zu handeln, ohne Bilanzen: „Die Nachfüllmilch ist ein Zuschußgeschäft. Und meinen Lagerraum für die dreißig Nachfüllkanister könnte ich auch gewinnbringend nutzen. Aber daß ich das anbiete, ist eine ideologische Sache.“ Nina Kaden

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