Polizisten sagen immer die Wahrheit

■ Freispruch für drei Polizisten, die wegen Mißhandlung eines Iraners zu hohen Geldstrafen verurteilt worden waren

Mit großer Spannung wurde gestern das Urteil in der Berufungsverhandlung gegen drei Polizisten erwartet, die im letzten Jahr wegen Mißhandlung eines iranischen Studenten zu Geldstrafen zwischen 10.500 und 12.600 Mark verurteilt worden waren. Auf den Besucherbänken saßen neben Polizisten auch Prozeßbeobachter der „Liga für Menschenrechte“, selbst Oberstaatsanwalt Carlo Weber, zuständig für politische Gewalt, wollte das Urteil mit eigenen Ohren vernehmen.

Nach fünftägiger Beweisaufnahme sprach das Landgericht gestern die drei Polizisten im Alter von 23 bis 39 Jahren frei. Das Gericht hatte den Zeugenaussagen des Iraners Habib J. und der Sekretärin Hannelore B. keinen Glauben geschenkt. Diese hatte Heiligabend 1992 gesehen, wie Habib J. von Polizisten „wie ein totes Stück Vieh abtransportiert“ wurde. Für solch ein Verhalten sah das Gericht jedoch keinen „objektiv nachvollziehbaren Grund“. Die Polizisten hätten Habib J. lediglich „in einem festen Griff“ abgeführt. Nach Auffassung des Gerichts hat Hannelore B., die damals vor Entsetzen nicht eingegriffen hatte, das Geschehen „nachgearbeitet“. Sie habe „Subjektives und Objektives nicht mehr trennen können“.

Richter Sasse räumte zwar ein, daß Habib J. „durchaus herablassend“ auf der Polizeiwache behandelt wurde. Es sei auch „durchaus tragisch“, daß er sich daran erinnern könne, daß ihm einer der Polizisten einen Finger an die Stirn gehalten und „Peng!“ gerufen habe. Doch weder dafür noch für die „Allah, Allah“- und „Khomeini“-Rufe und mehrere kräftige Ohrfeigen, wie es Habib J. geschildert hatte, habe ein Grund bestanden. Sein angetrunkener Zustand, traumatische Foltererlebnisse im Iran und eine „Kette von Mißverständnissen“ hätten bei Habib J. zu einer „Verzerrung der Erlebnisvorstellung“ geführt. Das Gericht konnte kein Fehlverhalten bei den Polizisten finden. Deshalb sei es „fahrlässig“, so Sasse, „von falscher Kameraderie auszugehen“.

Die Polizisten hatten jegliche Schuld bestritten. Während der einstündigen Urteilsbegründung bedauerte Sasse, „wie zum Teil sehr ängstlich und emotionsgeladen mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit umgegangen wird“. Zeitweise hatte man den Eindruck, der Iraner würde auf der Anklagebank sitzen. Mehrere Male versprach sich Sasse und bezeichnete den Iraner, der als Nebenkläger auftrat, als Angeklagten.

Der Anwalt des Nebenklägers wird gegen das Urteil in Revision gehen. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Wolfgang Wieland, kommentierte das Urteil mit den Worten: „Es ist leichter, sechs Richtige im Lotto zu gewinnen, als Polizisten zu verurteilen.“ Für den ausländerpolitischen Sprecher der Fraktion, Ismail Kosan, ist dies „ein neuerlicher Fall von ausländerfeindlicher Menschenrechtsverletzung durch Berliner Polizeibeamte“. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit eine Revision. Barbara Bollwahn