Umweltgerechte Preise?

Der Ökotourismus als touristische Alternative ist schön und gut. Doch wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, bleiben die Umweltfolgen doch wieder auf der Strecke.  ■ Von Christel Burghoff

Preise hoch für die Umwelt? Nichts käme der Reiseindustrie gelegener. „Wir haben nur ein Prozent Rendite“, klagt der Umweltbeauftragte der TUI, Wolf Michael Iwand. Für Umweltmaßnahmen gebe es nicht genug Geld. Immerhin ist der Tourismusriese TUI trotz einer Rendite von einem Prozent im Laufe der Jahre erstaunlich groß geworden. Doch wenn es um die Verantwortung für das kostbarste Gut dieser Industrie, nämlich die Natur, geht, dann kann das Elend eines Konzerns grenzenlos sein.

Das Elend der Natur ist es auch – unter anderm durch Tourismus. Denn der Erfolg dieser Branche verdankt sich letztlich der fortgesetzten Naturzerstörung durch infrastrukturelle Maßnahmen. Insbesondere Flugreisen heizen den Treibhauseffekt kräftig an. Sie schädigen die Erdatmosphäre.

Wie Natur dennoch durch Tourismus geschützt werden kann, stand unlängst auf der Tagesordnung der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg: Es ging um „Ökotourismus“. Die vielen Formen von Naturtourismus, die man darunter verstehen kann, wollen Naturpotentiale schonen, wenn nicht gar stabilisieren. Sie setzen auf regional wirksame Schutzeffekte.

Wim de Ruiter, der Sprecher des Projekts „Cocos International“, will „Paradiese“ bewahren. Seine Überlegungen sind einfach. Viele intakte Gebiete wären zu retten, wenn Menschen, die sich engagieren wollen, dazu die Gelegenheit erhielten. Statt Strandurlaub und dolce far niente wird praktischer Einsatz in konkreten Projekten rund um den Globus angeregt. Von der Rettung des Weißstorchs bis zur Wiederaufforstung in Nicaragua ist alles möglich. Zur Finanzierung wirbt Wim de Ruiter um Sponsoren aus der Industrie. Unterschiedslos – von Daimler- Benz bis zur Lufthansa. Jeder, der Geld hat, ist willkommen, denn de Ruiter setzt auf eine Art Kettenbriefeffekt: Je mehr sich beteiligen, um so attraktiver ist „Cocos International“ für neue Sponsoren, und je mehr Sponsoren es gibt, um so mehr Projekte zur Rettung der Paradiese können entstehen, und so weiter. Wim de Ruiter organisiert die gute Tat für jedermann. Und die Industrie kann damit werben.

Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hingegen wird der Ökotourismus als Anstoß zur Entwicklung „endogener Potentiale“ verstanden. „Unter Umständen der einzige Motor, der unter den gegebenen weltwirtschaftlichen Verflechtungen in Ländern der Dritten Welt noch eine solche Entwicklung in Gang bringen kann“, meint Evelyn Gustedt, Mitverfasserin der BMZ-Auftragsstudie „Ökotourismus als Instrument des Naturschutzes?“. Es geht um eine „nachhaltige Entwicklung“ im Sinne der Konferenz von Rio. Will Ökotourismus hier erfolgreich sein, dann müßte er erstens alle negativen Auswirkungen und sozio- kulturellen Veränderungen minimieren, zweitens Schutzgebiete finanzieren und drittens Einkommensmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung schaffen. Ein „Idealbild“, wie Evelyn Gustedt einräumt. Denn die gerechte Verteilung der Gewinne, auf die dieses Modell abzielt, muß vor allem politisch abgesichert werden.

Bernd Oldemeyer steht stellvertretend für viele Spezialveranstalter, die Umweltreisen anbieten. In Brasilien und Costa Rica oder in Lettland und Ungarn – es geht rund um die Welt in „Urlandschaften“ und geschützte Gebiete oder in besondere Kulturlandschaften. Naturschutzorganisationen stellen fachkundige Anleitung. Und egal, wohin die Reise geht, ein Teil der Einnahmen (5 bis 15 Prozent des Preises) fließt den besuchten Projekten in Form von Spenden zu. Ginge es beim Umweltthema nur um die höheren Preise, wie der Mann von der TUI meint, dann wäre Bernd Oldemeyers Kalkulation richtig: Seine Reisen sind teuer und werden trotzdem nachgefragt. Doch sind sie deshalb umweltgerechter? Fast alle Urlauber reisen – selbst innerhalb Europas – mit dem Flugzeug ins Zielgebiet. Bei allem Naturengagement: „Besser“ als andere Pauschaltouristen halten sie es mit der Transportfrage nicht. So meint Wolfgang Isenberg von der Thomas- Morus-Akademie: „Ökotourismus“ ist intelligentes Nischenmarketing. Man sollte sich von der Vorstellung verabschieden, daß er der bessere Tourismus ist – er ist ein anderes Angebot.“

In der Nische sitzt der Widerspruch. Die Frage, ob nicht Flugreisen das eigentliche ökologische Problem sind, stellte Evelyn Gustedt schon zu Beginn der Veranstaltung – und klammerte die Transportfrage dann bewußt aus. Denn auch Ökotourismus als Instrument nachhaltiger Entwicklung lebt vom Flugtourismus. Wer diese Tourismusalternative akzeptieren will, der muß viele Abstriche am Ökodenken machen. Gerade bei skrupulösen Kleinveranstaltern wird die Crux offenbar: Sie möchten es schon gern anders, aber wenn wirtschaftliche Interessen (oder die Bequemlichkeit der Reisenden) es nahelegen, dann werden die Umweltfolgen doch wieder hingenommen. Ein halbherziges Kompromißgeschäft.