: Mensch oder Baum?
■ Axel C. Springer muß eine Straße haben (zumindest in Anführungszeichen)!
Berlin (taz) – Straßennamen sind gut fürs Gemüt der StadtbewohnerInnen, vor allem, wenn sie altehrwürdig vom Leben der Vorväter künden. Wer will in Berlin schon statt auf dem Kurfürstendamm auf irgendeiner „8. Straße“ müßiggehen? Um eben diese Identifikation der BürgerInnen mit ihrer Stadt geht es auch der Verkehrsverwaltung des Senats von Berlin, der jetzt den nördlichen Teil der Lindenstraße in Axel-Cäsar-Springer-Straße umbenennen möchte. Diese Lindenstraße trägt schließlich nur den Namen einer trivialen Baumart, die außerdem vor Ort, das heißt am Ende Kreuzbergs und am Anfang des ärmlichen Bezirks Berlin-Mitte, nicht mehr existiert, Zudem heißt sie Lindenstraße erst seit 1723, als der ansonsten geizige Friedrich Wilhelm I. sie samt Baumbestand den Untertanen schenkte.
Höchste Zeit, vom Baum zur historischen Persönlichkeit zu wechseln. Dies um so mehr, als die Zentrale des Imperiums, von dem aus Springer so viel Gutes für Berlin und Deutschland bewirkte, an eben dieser Lindenstraße zumindest einen Nebeneingang hat. Kleinlicherweise hatten die Bezirksverwaltungen von Kreuzberg und Mitte der Umbenennung widersprochen. Ein typisches Beispiel von moralischer Überheblichkeit. Von einer „Political Correctness“ zudem, die darauf besteht, die Mordhetze des Springer- Konzerns gegen Rudi Dutschke im Jahr 1968, die Verleumdungen gegen vorgebliche Sympatisanten der RAF in den siebziger Jahren, den jahrzehntelang sich über die LeserInnen ergießenden Unrat aus Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und Haß auf alles Fortschrittliche nicht gänzlich aus dem Gedächtnis zu tilgen.
Bedenkt, Ihr Verstockten: Hat Springer, der Patriot, mit den viel geschmähten Anführungsstrichen nicht ebenso recht behalten wie mit dem Sinnspruch: „Die Mauer muß weg“!? Eine historische Revision steht an, und die Umbenennung ist nur ein bescheidener Anfang. Christian Semler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen