: Vollgas für den Diesel-Krebs
■ Automobilkonsens zwischen Ländern und Autofirmen sorgt für Arbeitsplätze und Billig-Rasen
Hannover (taz) – Die Autolobby kann sich freuen: Weitere Verteuerungen beim Autofahren oder gar Tempolimits sind für die nächsten Jahre nicht zu befürchten. Im Gegenteil, Autofahren könnte sogar noch billiger werden. Das geht aus einem Konsenspapier hervor, auf das sich die Automobilhersteller Mercedes, Volkswagen und BMW mit den Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern verständigt haben.
Nach diesem „Automobilkonsens“ erklären die Autohersteller, für stabile Beschäftigungsverhältnisse zu sorgen und möglichst zügig ein schadstoffarmes Dreiliterauto auf den Markt zu bringen. Umgekehrt sichern die Ministerpräsidenten Erwin Teufel (Baden-Württemberg), Gerhard Schröder (Niedersachsen) und Edmund Stoiber (Bayern) zu, auf zehn Jahre für stabile politische Rahmenbedingungen für die deutsche Autoindustrie zu sorgen, was nennenswerte Erhöhungen der Mineralölsteuer und Tempolimits ausschließt.
Gestern wurden nach taz-Informationen bei einem Treffen hochrangiger Mitarbeiter der Regierungs- und Automobilchefs noch letzte Details des viereinhalbseitigen Autopapiers abgestimmt. In Stuttgart ging ein Teilnehmer dieser Runde allerdings „nicht mehr von einem Scheitern“ der Autoverhandlungen aus. Strittig sei aber noch, wie der Begriff der stabilen Beschäftigungsverhältnisse präzisiert werden könne. Das Ergebnis der Verhandlungen soll im August der Öffentlichkeit präsentiert werden. – Der Einigung auf das Autopapier gingen neunmonatige schwierige Verhandlungen voraus. Mindestens dreimal haben sich Gerhard Schröder, Edmund Stoiber und Erwin Teufel mit Ferdinand Piäch (VW), Helmut Werner (Mercedes), Bernd Pischetsrieder (BMW) und am Ende mit Wendelin Wiedeking (Porsche) getroffen. Koordiniert wurden die Verhandlungen vom niedersächsischen Wirtschaftministerium. Die beiden weiteren deutschen Autohersteller Ford und Opel wurden bewußt nicht in den nationalen Autokonsens einbezogen, da sie Tochterunternehmen US-amerikanischer Konzerne sind.
Nach taz-Informationen können sich die Autoverhandler ein Dreiliterauto nur auf Basis der Dieseltechnik vorstellen. Die Ministerpräsidenten wollen deswegen für eine Steuersenkung bei Diesel-Pkws eintreten. Um das Dreiliterauto zu entwickeln, müsse die „steuerliche Diskriminierung“ der Dieseltechnik beendet werden. Die Marschroute bei der Mineralölsteuer soll am Ende das Autofahren sogar verbilligen. Die Erhöhung um einzelne Pfennige pro Liter, die gerade noch für tragbar gehalten wird, soll durch eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs mehr als kompensiert werden. Die unter dem Stichwort „schadstoffarmes Dreiliterauto“ laufende Selbstverpflichtung zur „ökologischen Innovation“ soll auch eine CO2-Abgabe auf das Autofahren vermeiden helfen. Jürgen Voges
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