: Merhaba, wir bringen Musik!
■ Arabische Zeitungen, afrikanische Musik, deutsche Sprachbücher: Junge OldenburgerInnen versorgen die Flüchtlinge in der Zast Blankenburg
„Salaama, Salaama“, gurrt Cheb Khaled aus den Lautsprechern, Gott sei mit euch, seid gegrüßt. Die Männer aus der Zentralen Aufnahmestelle Blankenburg (Zast) beantworten seinen Gruß mit hellen arabischen Trillern. Viel Platz ist nicht in dem Bus der Medien-Initiative, doch tanzen und klatschen läßt sich auch zwischen Kaffeetheke, Bücherregalen und Musikanlage.
Alle zwei Wochen fahren Bernhard, Pogge, Ali und einige andere in einem ausrangierten Bus von Oldenburg nach Blankenburg. Kinderbücher haben sie dabei, die neuesten Tageszeitungen aus der Türkei und arabischen Ländern, Magazine aus Afrika, Kassetten mit Deutsch-Kursen. Bernhard schleppt außerdem seine Kassetten-Sammlung mit World-Music mit. „Über die Musik kommt man leichter miteinander ins Gespräch“, sagt der Musikstudent. Auch untereinander bekommen die Flüchtlinge aus vier verschiedenen Kontinenten in dem Sammellager über ihre Musik ein selbstverständlicheres Verhältnis zueinander, erzählt er.
Seit zwei Jahren kommen die Oldenburger FlüchtlingshelferInnen mit dem Medienbus nach Blankenburg. Sie arbeiten unbezahlt. Mithilfe von Spenden konnten sie einen ausrangierten Linienbus kaufen und einrichten. Bis heute zahlt die Stadt Oldenburg keinen Pfennig für die kulturelle Arbeit der Medieninitiative. Das Geld für Zeitungen und Bücher bekommen sie nur über Spenden.
„Es gibt doch hier überhaupt keine Freizeitaktivitäten“, sagt Ali, „die Menschen leben völlig isoliert“. Ein Überlandbus fährt nur alle zwei Stunden an dem Lager vorbei, den Fahrpreis nach Oldenburg können sich die AsylbewerberInnen zudem nicht leisten. „Wir laufen den Tag über ein bißchen rum und haben nichts zu tun“, sagt Nasrin. Kein Dorf, kein Laden, keine menschliche Siedlung ringsum bietet Abwechslung. Vor zwei Monaten konnte Nasrin aus dem Iran fliehen, seit vier Wochen ist sie in Blankenburg. Gefreut hatte sie sich auf Deutschland, gehofft, daß sie dort als Frau unbehelligt leben könnte. „Aber hier in Blankenburg gibt es keine Nahrung für Körper und Geist“, sagt die junge Frau. Und in Oldenburg hätten Deutsche sie mit Blicken aus den Läden geworfen, als sie den Kleidungs-Gutschein einlösen wollte.
Seit fünf Jahren dient die ehemalige Psychiatrie, die Klosteranlage Blankenburg, als zentrale Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen. Zwischen 600 und 800 Menschen sammelt Niedersachsen dort, um sie nach der ersten Asyl-Anhörung auf Flüchtlingsheime zu verteilen oder gleich in die Herkunftsländer zurück zu schicken. Die Stadt Oldenburg hatte Ende der achtziger Jahre der niedersächsischen Regierung den Klinkerbau vor den Toren der Stadt angeboten. So braucht Oldenburg in den eigenen Mauern keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen.
Es könnte idyllisch sein in dem ehemaligen Kloster: Zwischen alten Bäumen gelegen blüht und grünt es ringsum, ein kleiner See lädt zum Baden ein. Schon die Nazis wußten die abgeschiedene Lage zu nutzen und brachten in Blankenburg ZwangsarbeiterInnen und SS-Einheiten unter. Heute durchschneidet eine enorme Autobahnbrücke auf Stelzen die Wiesenlandschaft zwischen Blankenburg und Oldenburg. Tag und Nacht rauschen Laster und Autos hoch oben über die kanalisierte Hunte. Dort oben führt auch der kürzeste Fußweg nach Oldenburg entlang: in einem Tunnel unterhalb der Brücke.
Wenn der Medienbus angekommen ist, wagen sich die Menschen erst allmählich aus dem umzäunten Areal der Zast heraus. „Merhaba, habt ihr eine kurdische Zeitung dabei?“ fragt ein junger Mann schüchtern. „Ja, komm rein, trink' doch einen Tee“, lädt ihn Ali ein. „Hi, I am from Nigeria. Do you know other Nigerians in Oldenburg?“ fragt Jimmy. Pogge kennt zwar keine, aber unterhalten können sie sich ja trotzdem. Gamil aus Syrien findet die laute Musik klasse, aber ob Bernhard auch Gypsi Kings hat? Er hat. Doch jetzt nimmt er gerade Youssou N'Dour für einen Landsmann auf.
Bernhards mobiles Aufnahmestudio ist gratis. „Ich nehm immer einen Stapel leere Kassetten mit, dann können sich die Leute selbst etwas zusammenstellen.“ Manche Flüchtlinge konnten selbst Musik aus ihrer Heimat mit nach Deutschland retten und freuen sich, wenn Bernhard von ihnen Stücke aufnimmt. Aber in den drei Stunden, die der Bus alle zwei Wochen auf dem Parkplatz steht, bleibt für Gespräche über die Liedtexte kaum Zeit. „Man müßte viel öfter kommen“, bedauert Bernhard den flüchtigen Austausch.
Wenn erstmal 20 oder 30 Männer zum Bus gekommen sind, laufen auch ein paar Kinder herbei.„Die Frauen trauen sich nicht, wenn die Männer da sind“, sagt Nasrin, einzige Frau am Bus. Die Männer und Frauen von der Medieninitiative haben daher zusätzlich einen Frauentag vor der Zast eingerichtet. Aus religiösen Gründen dürfen nur die ganz kleinen muslimischen Mädchen zwischen den rauchenden und schwatzenden Männern im Bus nach Bilderbüchern suchen, Papierschiffe mit Petra bauen oder Kekse von der Theke knabbern.
Dalí ist mit sechs Jahren schon von „Arabia“ nach Deutschland gereist. „Da, da“, sagt er, will ein Bilderbuch angucken. Mit den Fingern streicht er über das gezeichnete deutsche Familienidyll. „Wir schaffen hier ein Stück Heimat für die Menschen“, meint Ali, selbst vor vielen Jahren aus dem Iran geflüchtet. „Die haben doch sonst nichts“. Ulrike Fokken
Wer Interesse am Medienbus hat, kann den Bus mieten, unterstützen, besuchen. Kontakt: Medienbüro Oldenburg, Karlstr. 14a, 26123 Oldenburg, Tel./Fax: 0441-8859062; Spenden an: LZO, BLZ 28050100, Kontonr. 010-179521, Stichwort „Blauer Bus“.
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