Sanssouci
: Nachschlag

■ "Jochens" Lieblingsfilme in der Hasenheide

Die „Hasenschänke“ in der Hasenheide ist einer der schönsten Sommerorte in Berlin; entspannt sitzt man rum, trinkt Kännchenkaffee und Bier, während sich ein paar Meter weiter tausend Leute an der Kasse vor dem Freilichttheater Hasenheide drängen, denn der „Jochen“ zeigt zum siebten Mal seine Lieblingsfilme vom letzten „Hamburger No-Budget-Kurzfilmfestival“. Der mal ironische, mal trashige, meist liebevolle Charme der eigentlich schönsten Berliner Sommerfilmveranstaltung scheint sich allerdings inzwischen ein wenig verbraucht zu haben. Mittlerweile wirkt das meiste doch ein wenig zu glatt und sauber.

Das begann schon beim Überraschungsgast, der jungen Kabarettistin Jenny Zylka, die sich in 20 Minuten kein einziges Mal versprach. Zuweilen sehr lustig erzählte sie von den einsamen ersten Berliner Jahren, während derer sie sich Leuchtdioden hatte in die Stirn setzen lassen, die im trauten Gespräch mit schönen Männern das Wort „Ficken“ erscheinen ließen. Auch zeigte sie Dias seltsamer Wohnungssuchanzeigen, die sie unter dem Thema „Frauen zeichnen sich als Tiere“ sammelt. Prima Idee! Sektkorken ploppten. Etwas unangenehm war nur, daß sie sich über die freundlich lächelnden kleinen Kakerlaken oder Schweinchen, die auf Wohnungssuche an Bäumen kleben, lustig machte, die jungen Frauen, die derart rührend-hilflos Wohnungen suchen, zu Vollidiotinnen erklärte und es auch nicht für notwendig hielt, die angegebenen Telefonnummern abzudecken.

Solch fernsehtaugliche Eindeutigkeiten gab es viele an diesem Abend. Ob ein dänischer Filmer im 35mm-Format Vegetarierpropaganda machte, eine brasilianische Filmerin in ihrem actionreichen und überraschungsarmen Kurzthriller sauber ein Unterdrückungsklischee ans andere reihte – heraus kam die Kurzfilmschülerübung eines langen Films, für den das Geld nicht da war. Das „no budget“ scheint man beim Hamburger Festival ohnehin nicht mehr ganz so ernst zu nehmen: Die meisten Filme kamen von diversen Filmhochschulen oder wurden von „premiere“ oder irgendwelchen Versicherungen bezuschußt.

Der Abend wäre eine Enttäuschung gewesen, wenn es nicht doch ein paar Filme gegeben hätte, die in bester „Jochen“-Tradition standen. Die finnische Orchesterversion des Wittgensteinsatzes „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“, Dagie Brunderts „Warten auf den Weihnachtsmann“, in dem die Männchenfilmerin sich selbst souverän als Püppchen zwischen tausend Kerzen animiert, Matthias Dinters lustige Drogen-Fake-Reportage „Ankleben Verboten“, in der es um junge Menschen geht, deren perverses und gefährliches Vergnügen es ist, sich an graue Stromverteilerkästen zu kleben, oder Torsten Alischs „Stand by your man“: Zur Musik des Klassikers von Tammy Wynette sieht man Super-8-Amateurfilmaufnahmen eines schon etwas älteren Berliner Ehepaars, die Alisch auf dem Flohmarkt gefunden und kommentarlos zu einem sympathischen Porträt rührend alltäglicher Hilflosigkeit zusammengeschnitten hat. Wunderbar. Mehr davon! Detlef Kuhlbrodt

Das nächstes Kurzfilmprogramm, das diesmal von den „FBI“- Kurzfilmaktivistinnen gestaltet wird, findet am 31.7., um 21.30 Uhr statt, im Bunker-Garten, Albrecht-/Ecke Reinhardstraße, Mitte