Das Ich, das Es und das Holz

■ „Bildhau in Huchting“ – Laien auf der Suche nach dem verlorenen Sein

Fürwahr, die 5. „Offene Sommerwerkstatt Bildhau“, die vor wenigen Tagen im Huchtinger Bürger- und Sozialzentrum zu Ende ging, war ein schlagkräftiges Event. Etwa 50 TeilnehmerInnen jeglichen Alters rückten eine Woche lang mit Hammer, Meißel und Beitel ihrem empfindlichsten Körperteil zu Leibe: der Seele. Das in der rauhen Wirklichkeit des Arbeitsalltags arg gebeutelte Ding sollte sich fern jeder Fremdbestimmung im künstlerischen Prozeß entfalten.

Gar nicht so einfach. Und so glotzte es für manche, die zum ersten Mal an der Sommerwerkstatt teilnahmen, zunächst recht hohl zurück aus dem Stein, dem Holz, dem Metall, dem Ton und dem Gips. Allein die Entscheidung für eins der Materialien setzte unzählige Fragen frei: Trau ich mich an Stein heran, hart und unbeugsam? An Metall, Höllenfeuer und Amboß und Kraft? An bis zur Vergeblichkeit nachgiebigen Ton und Gips?

Viele entschieden sich für Holz, das ist lebendig ganz ohne eigenes Zutun.Damit war die erste Hürde genommen. Die Ton- und GipselèvInnen erhielten Anleitungen von den KünstlerInnen Ursula Homfeld, Manuela Hartmann, Michael Lund, die steinernen Pfade wies die chilenische Bildhauerin Rosa Jaisli, die Kunstschmiedin Junie Kuhn entfachte ihre eigens installierte Reiseschmiede, die kanadische Bildhauerin Luella Strauss half den HolzartistInnen auf den Weg.

Eine halbe Stunde später war das weitläufige und wunderschön gestaltete Gelände vorm Bürgerzentrum eingetaucht in rhythmisches Hämmern, Klopfen, Pochen, Raspeln, hin und wieder unterbrochen von einem Fluch oder Stöhnen. Deutliche Zeichen für die Entsorgung der Altasten, für die Befreiungskämpfe des Ich. Gehobene Pläne wurden dabei immer wieder verworfen, da weder Material noch Werkzeug hörig genug waren. „Muß ja nicht der erste Buchenast die Ausstrahlung einer polynesischen Kultfigur haben“, räumte eine Teilnehmerin geläutert ein. „Hauptsache, ich lerne, mit dem Werkzeug umzugehen.“

An den Schmiedefeuern entstanden schon bald bizarre Figuren, während dem Stein nur mit Zeit beizukommen war: Stück für Stück spritzte zu Boden, machmal leider ein zu großes. Mußte der Busen der Büste halt schwinden. Dochwaren dies die Momente, in denen die ewige Frage der vielen ZuschauerInnen nach dem „Was soll das werden?“ besonders nervte. Eine der Aktiven, einen Eichenklotz vor sich, verblüffte mit der Antwort: „Ein Zahnstocher“.

Tatsächlich näherte sie sich täglich dem Ziel. Von morgens bis abends beitelte sie sich durch Rinde und Kern. Das allmählich abschlackende Eichen-Trum erlebte dabei seltsame Metamorphosen: Was ursprünglich Busen war, war schließlich Hintern, aus den Beinen der Tänzerin wurde das Haupt der „Geschwätzigen“, und diese wiederum zur Unvollendeten. Andere haben beachtliche Werke erstellt, doch darauf kam es den wenigsten an. Wichtiger war der Schaffensprozeß, die gemeinsamen Gespräche, die bis zum späten Abend bei Kaffee und Bier über Kunst und Kitsch, Ideal und Wirklichkeit, Göttin und die Welt geführt wurden. „Die Sommerwerkstatt Huchting hat mich weiter von meinem Alltag weggebracht als ein Urlaub in der Fremde“, blickte eine Teilnehmerin zurück.

Als am letzten Tag die Bremer Jazzpianistin und Sängerin Romy Camerun der Sommerwerkstatt noch das musikalische Sahnehäubchen aufsetzte, waren manche Hände zu geschwollen, um laut zu applaudieren. Doch alle TeilnehmerInnen waren begeistert vom Verlauf der Woche und dankten den InitiatorInnen Susanne Hennig und Barbara Meißner vom Kulturbüro Huchting. Narciss Goebbel verbürgte sich dafür, daß es auch zukünftig noch eine Sommerwerkstatt Bildhau gibt. Trotz leerer Kassen versprach der Mitarbeiter des Kulturressorts: „Sie werden noch 15 Jahre weiterleben.“ dah