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„Ganz, ganz toll“

■ Begeistert kehrten die Bremerhavener GenossInnen von ihrem Genua-Urlaub, pardon, ihrer Arbeitsfahrt zurück. Doch war die Reise notwendig?

Genua ist eine Reise wert – darin waren sich die elf SPD-GenossInnen aus Bremerhaven einig, als sie abgekämpft, aber gut gelaunt am Sonntagabend aus dem Flugzeug stiegen. „Beeindruckend“, lobte SPD-Chef Richard Skribelka. „Ganz, ganz toll“, begeisterte sich der Stadtverordnete Egon Arnold. „Hochinteressant“, resümierte Dieter Tiedemann. „Faszinierend“, fand Martin Glöde. Rolf Brümmer war hingegen weniger redselig – doch die Frage nach dem Inhalt seiner Duty-Free-Tragetasche veranlaßte den Feierabend-Politiker zu wütendem Schnauben: „Ich frage Sie doch auch nicht, was Sie sich aus dem Urlaub mitgebracht haben.“ Dabei können die Stadtverordneten das Wort „Urlaub“ nicht mehr hören. „Wer jetzt noch einmal etwas von Lust- oder Urlaubsreise sagt, dem komme ich mit einem Anwalt“, drohte Skribelka.

Drei Tage war er mit seiner Gefolgschaft in Genua, um sich dort auf Kosten der SteuerzahlerInnen die italienische Variante des in Bremerhaven geplanten Ocean-Parks anzusehen. Da keiner der GenossInnen mehr im Stadtparlament sitzt, wenn über das Projekt entschieden wird, mußten sie in den letzten zwei Wochen harsche Kritik einstecken.

„Es war richtig zu fahren, denn es ist allerhöchste Eisenbahn. Wenn wir jetzt nicht sofort handeln, geht uns diese wichtige Chance für Bremerhaven durch die Lappen“, mahnt Skribelka. 1,2 Millionen Besucher strömten jährlich in das „Acquario di Genova“, weiß er nach seinem Italien-Trip. „Von den gezählten Eintrittskarten steht das Aquarium damit an Platz drei aller Touristenattraktionen in ganz Italien.“ Nur der Vatikan und die antike Ruinenstätte Pompeji seien bei den TouristInnen noch beliebter. „Um das Aquarium zu sehen, nehmen die Leute im Schnitt zweieinhalb Stunden Autofahrt in Kauf.“ Denn für zehn Mark Eintritt gebe es in Aquarium und Terrarium eine Menge zu sehen: „Haie, Frösche, Schlangen, Delphine, Seehunde, Schildkröten und Süßwasserfische“, zählt Skribelka auf.

Der Ocean-Park in Bremerhaven soll allerdings größer werden: Neben dem Aquarium sind unter anderem ein Drei-Sterne-Hotel, ein Einkaufszentrum, Wohnhäuser und eine Station zur Aufzucht von Meeres-Lebewesen geplant. „Das ist auch dringend notwendig“, sagt Skribelka. „Ein Aquarium reicht nicht, dann reißt der Besucher-Strom irgendwann ab.“

Obwohl das „Acquario di Genova“ deutlich kleiner ist, liegt die Vergleichbarkeit beider Projekte für den SPD-Chef auf der Hand: „In Genua und Bremerhaven gibt es jeweils eine sehr hohe Arbeitslosigkeit.“ In Genua wollten die Betreiber von der Werbung für das Columbusjahr profitieren – Bremerhaven setzt auf die Expo 2000. „Und da liegt der Knackpunkt“, sagt Skribelka. „Wenn wir uns nicht beeilen, geht es uns so wie den Leuten in Genua. Die sind nicht rechtzeitig zum Beginn des Columbusjahres fertig geworden. Das Aquarium mußte dann wieder geschlossen werden. Damit uns das nicht passiert, müssen wir handeln, und zwar jetzt, jetzt, jetzt.“

Eine Trägergesellschaft müsse gegründet werden – wie in Genua, fordert der SPD-Chef. Die „Grundstücksfrage muß geklärt werden. Die Investoren brauchen Sicherheit.“ Die Grundlagen für diese Sicherheit will Skribelka auf der Sondersitzung der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 24. August schaffen. „Im März 1996 soll Baubeginn sein. Solange dauert die Bauplanung, die Statik, von der Baugenehmigung ganz zu schweigen. Wenn uns nur ein Detail dazwischen kommt, gerät der Zeitplan aus den Fugen“, gibt Skribelka zu bedenken.

Baustadtrat Volker Holm sieht die Sache gelassener. „Wenn wir im Sommer 96 mit dem Bau anfangen, sind wir ein Jahr vor der Expo 2000 fertig.“ Bei einem solch wichtigen Projekt dürfe nichts übers Knie gebrochen werden. Die Zeit für konkrete Beschlüsse sei in dieser Legislaturperiode noch nicht reif. „Eine Beschlußvorlage wird der Magistrat frühestens im Spätherbst, wenn nicht sogar erst Ende 1995 ausgearbeitet haben“, sagt Holm. „Im Moment führen wir nur Gespräche, die Verhandlungen mit den Amerikanern beginnen erst im August“, betont er. „Dann geht das Tauziehen erst richtig los. Vorher müssen allerdings die Finanzen genau durchleuchtet werden.“ Außerdem sei es wichtig, für dieses Projekt eine breite „Akzeptanz sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung zu finden“.

Holm hält das „Acquario di Genova“ durchaus für ein „geeignetes Vergleichsobjekt“, und zwar auch, wenn die Anlage „deutlich unter dem Ocean-Park liegt“. „Die Aquarien, die Chermayeff baut, tauchen immer wieder in seinen Parks auf. Sie sind traumhaft schön und sicherlich in der Lage, 100.000 Besucher anzuziehen.“ Das steht für ihn außer Frage. Holm kann sich durchaus vorstellen, „mit Entscheidungsträgern“ nach Genua zu fahren. Allerdings erst, wenn feststeht, daß der Ocean-Park auch wirklich gebaut wird. „Im Moment ist es dazu zu früh.“ kes

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