Kollwitz-Plastik steht Wohnungsneubau im Wege

■ Trotz Bedenken von Denkmalschützern will die Wohnungsbaugesellschaft WIP am Standort der „Schützenden Mutter“ mit Bauarbeiten für Wohnungen beginnen

Kollwitzstraße 58, einstmals Weißenburger Straße 25. Dort, wo die Bildhauerin Käthe Kollwitz seit ihrer Hochzeit mit dem „Armenarzt“ Dr. Karl Kollwitz im Jahr 1891 lebte und arbeitete, riß der Krieg eine Lücke: Am 23. November 1943 wurde das Wohnhaus im heutigen Bezirk Prenzlauer Berg bei einem amerikanischen Luftangriff bis auf die Grundmauern zerstört. Jahre später, da war die Straße bereits zu Ehren der Künstlerin umbenannt worden, wurde ein Teil des Grundstücks mit einem Fünf-Etagen-Haus bebaut. Der Rest der Fläche blieb leer stehend und wurde zur heute als „geschützt“ ausgewiesenen Grünfläche umgestaltet. Die Kollwitz-Plastik „Schützende Mutter“, die der Bildhauer Fritz Diedrich 1937 unter „Aufsicht“ der bereits schwer erkrankten Käthe Kollwitz aus Muschelkalk schuf, erhielt hier im Jahr 1960 ihren Standort. – Verfügungsberechtigt für das Grundstück, das heute dem Land Berlin gehört und für das offenbar auch kein Restitutionsantrag vorliegt, ist die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP). Diese will nun den Platz aus ihrer Sicht effektiver verwerten. Die Grünfläche und die „Schützende Mutter“ sollen von diesem Ort verschwinden und einem Neubau von fünf Wohnungen Platz machen. Bereits 1993 erhielt die WIP einen positiven Bauvorbescheid und im April eine Baugenehmigung, letztere allerdings mit einer grundlegenden Einschränkung: Die Genehmigung gilt nur, wenn auch die Denkmalschutzbehörde ihre Zustimmung erteilt.

Dort, so Sigrid Brandt, Denkmalschützerin des Bezirks, gibt es jedoch einige Vorbehalte. Unbedingt gesichert werden müsse, daß die Plastik auf dem Grundstück verbleibt, daß sie auch weiterhin öffentlich zugänglich ist und nicht irgendwo auf dem Hinterhof verschwindet. Obwohl bereits erste Gespräche mit der WIP stattfanden, sind ebendiese Fragen bislang ungeklärt. Was die Wohnungsbaugesellschaft allerdings nicht daran hinderte, den Mietern der Kollwitzstraße 58 schriftlich den Beginn der Bauarbeiten mitzuteilen. Ein Vorgang, den nicht nur Nachbar und Bundestagsabgeordneter Wolfgang Thierse (SPD) im Brief an eine Mieterin als „befremdlich“ bezeichnet. Der Leiter des Naturschutz- und Grünflächenamtes Prenzlauer Berg hält das Ensemble für ökologisch und „insbesondere für das Stadt- und Landschaftsbild“ zu wertvoll, um es fünf Wohnungen zu opfern. Daß im Bezirk ausreichend Baulücken vorhanden sind, um von der WIP mit Sozialwohnungen bebaut zu werden, meint auch die Betroffenenvertretung Kollwitzplatz. Das Eckgrundstück bilde eine Einheit mit dem Kollwitzplatz. Die jetzige Gestaltung und Nutzung durch die AnwohnerInnen und ihre Gäste trage dem Werk der Käthe Kollwitz am ehesten Rechnung. „Wird“, so eine Mieterin der Kollwitzstraße 58, „das Denkmal erst einmal zur Verschiebemasse erklärt, besteht die Gefahr, daß plötzlich Leute auf den Plan treten, die es liebend gern hinter den vier Wänden eines Museums verschwinden lassen wollen.“ Falls die WIP wie angekündigt in diesen Tagen mit ersten Ausschachtungsarbeiten beginnt, will die Mieterin nichts unversucht lassen, um einen Baustopp zu erwirken. Kathi Seefeld