: Identische Ziele, getrennte Wege
■ Rivalität statt Gesprächsbereitschaft zwischen den beiden Berliner Antidiskriminierungsbüros
„Wir haben im Mai unser Antidiskriminierungsbüro gegründet. Jetzt haben wir aus der Presse erfahren, daß im Herbst ein zweites Büro eröffnet werden soll“, schimpft Reza Rassouli vom Antidiskriminierungsbüro (ADB). Der Grund seines Ärgers: Das ADB fristet seit zwei Monaten ein kärgliches Dasein auf Spendenbasis. Nun soll im Herbst ein weiteres „Büro gegen Diskriminierung“ eröffnet werden, das aus einem EU- Topf mit 200.000 Mark im Jahr gefördert werden soll. Gründungsmitglieder sind neben dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) vier weitere Migrantenorganisationen. Die Programme der Initiativen sind fast identisch: Beide Büros sind in Anlehnung an die holländischen meldpunten entstanden. Zielsetzung und Arbeitsschwerpunkte decken sich fast wortwörtlich. Der ADB hat seinen Diskriminierungsbegriff lediglich etwas weiter gefaßt.
Trotz der Ähnlichkeiten scheint eine Kooperation jedoch kaum möglich. Rechthaberisch beharren beide Seiten auf ihrem Standpunkt. „Unser Büro gibt es schon seit zwei Monaten“, heißt es beim ADB. „Wir arbeiten schon seit einem Jahr an unserer Konzeption“, kontert das Büro gegen Diskriminierung. Eine einleuchtende Erklärung hat Kenan Kolat vom TBB für die Tatsache, daß die beiden Gruppen noch nicht einmal miteinander geredet haben: „Wir wissen gar nicht, wo wir das ADB erreichen können.“ Man werde bei der bisherigen Linie bleiben, denn schließlich „sind wir die maßgeblichen Organisationen in der Stadt“, so Kolat. Etwas moderater drückt sich seine Vereinskollegin Emine Demirbüken, Ausländerbeauftragte im Bezirk Schöneberg, aus. „Wir werden uns dem ADB gegenüber nicht abschotten. Aber erst mal müssen wir uns um unsere Gelder und Räumlichkeiten kümmern“, so Demirbüken.
Das Nebeneinander von Antirassismus-Organisationen stößt bei der Ausländerbeauftragten des Senats, Barbara John (CDU), auf wenig Verständnis. „Es muß eine Vernetzung bei der Arbeit in diesem schwierigen Bereich geben“, so John. Sie hoffe, daß es einen gemeinsamen Arbeitskreis geben werde, in dem sich die verschiedenen Gruppen auf ein Vorgehen einigen.
Der ausländerpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Kosan, räumt dieser Hoffnung wenig Chancen ein. „Die werden sich gegenseitig als Rassisten beschimpfen“, prophezeit Kosan. Allerdings ist der bündnisgrüne Politiker wenig überrascht von der Entwicklung.
„Es liegt auf der Hand, daß jetzt Initiativen wie die Pilze aus dem Boden sprießen“, so Kosan. Schließlich haben die Bündnisgrünen in ihrem Wahlprogramm die Errichtung eines Antirassismus- Ressorts festgeschrieben. „Bei dem Aufbau wollen wir natürlich auf bestehende Strukturen zurückgreifen“, erläutert Kosan die Konzeption. Das Gründungsfieber wertet er als Versuch, sich rechtzeitig für die Mitarbeit in dem Ressort zu etablieren.
Während die Gruppen sich schwertun, miteinander zu reden, macht ein Mitarbeiter des Kurdischen Zentrums vor, wie einfach alles sein könnte. „Ich kenne die Initiativen nicht. Geben Sie mir doch mal die Nummern, dann kann ich mich mit denen in Verbindung setzen“, lautet die pragmatische Reaktion. Gesa Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen