piwik no script img

Vom Fortschritt der „Frauenkomponente“

■ Frauenförderung in der Entwicklungspolitik seit den achtziger Jahren

„Integration von Frauen in die Entwicklung“, lautete die Parole der achtziger Jahre in den internationalen Hilfsorganisationen. In der UNO, der Weltbank und vielen nationalen Entwicklungsinstitutionen hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß zahlreiche Entwicklungsprojekte scheitern mußten, weil sie falsch geplant worden waren. Dabei lag der Planung kein zufälliger, sondern ein systematischer Fehler zugrunde: Patriarchale Vorurteile oder einfach Desinteresse an der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen im Projektgebiet führten dazu, daß Hilfsmaßnahmen an die falsche Adresse – nämlich an die Männer – gerichtet wurden. Die Publizistin Christa Wichterich spricht in ihrem neuen Buch „Frauen der Welt – Vom Fortschritt der Ungleichheit“ (Göttingen 1995) davon, daß bis dahin ein Konzept der „Entwicklung [... als] homophiler Fortschrittstransfer: von Mann zu Mann“ herrschte. Da wurden zum Beispiel mit Hilfe ausländischer Techniker Wasserleitungen in die Dörfer gelegt und die männlichen Dorfbewohner in Wartung und Reparatur unterwiesen. Wenige Jahre später waren die Leitungen oft kaputt – und die Frauen mußten wieder stundenlang laufen, um das Wasser für ihre Familien herbeizuschleppen.

Wie ineffizient ein solches Vorgehen war, lag auf der Hand. Nachdem in den achtziger Jahren Untersuchungen den verschwiegenen Anteil der Frauen an den Wirtschaften ihrer Länder sichtbar gemacht hatten, kamen große Institutionen wie die Weltbank zur Einsicht, daß Frauen eine wichtige „menschliche Ressource“ und ungenutztes Kapital darstellten. Daraus folgerten sie, daß die Frauen nur richtig gefördert werden müßten, um für die Entwicklung ihres Landes nutzbar gemacht zu werden.

Von nun an hieß es „Projekt mit Frauenkomponente“, wenn an ein traditionelles Dorfentwicklungsvorhaben ein Alphabetisierungskurs für Frauen angefügt wurde. Feministische Entwicklungsexpertinnen kritisierten diese Form der Frauenförderung als Nischenprogramm.

Ihre Forderungen schlugen sich auch im „Konzept zur Förderung von Frauen in Entwicklungsländern“ nieder, welches das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) 1988 vorstellte. „Bei jedem Vorhaben müssen die Auswirkungen nach Männern und Frauen getrennt geprüft werden. Nur durch solche geschlechtsspezifischen Analysen kann sichergestellt werden, daß nachteilige Auswirkungen auf die Situation von Frauen vermieden werden,“ heißt es in diesen verpflichtenden Leitlinien.

„Geschlechtsspezifisch“, dieses sperrige Wort sollte in den neunziger Jahren Karriere machen. Von „Genderanalysis“ spricht man nun in der Entwicklungsdebatte und meint damit die Analyse der gesellschaftlich geprägten Rolle von Männern und Frauen. Allerdings: Da es schon so schwierig ist, sich darüber zu verständigen, welche Ursachen die gesellschaftliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen hat, so ist in den letzten Jahren erst recht klar geworden, daß es „keine universell gültigen Projektrezepte gibt“, wie Christa Wichterich zusammenfaßt. Die Umsetzung der Forderung, daß jedes Projekt auch den Frauen nutzen muß, liegt noch in weiter Ferne. Jutta Lietsch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen