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Polizei durchsuchte WGs nach Sprengstoff

■ BewohnerInnen fühlen sich kriminalisiert und fortwährend belästigt

Frankfurt (taz) – Eva, Jens und Sven fühlen sich zu Unrecht verfolgt und kriminalisiert. „Wir sagen öffentlich, was wir wissen“, erklärten sie gestern auf einer Pressekonferenz in Frankfurt, „reden aber nicht mehr mit Polizei und Bundesanwaltschaft“.

Die BewohnerInnen eines Hauses in der Fritzlarer Straße in Frankfurt-Bockenheim wehren sich dagegen, in Zusammenhang mit dem Anschlag gebracht zu werden, der den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt im März 1993 bis auf die Grundmauern niederlegte. Sprengstoffspuren, geisterte es Anfang der Woche suggestiv als Fahndungserfolg durch die Zeitungen, seien Ende Juni bei einer Hausdurchsuchung im Stadtteil Bockenheim gefunden worden. Dies sei unwahr, so die BewohnerInnen. Besagte Hausdurchsuchung sei die dritte seit vergangenem September gewesen. Die Sprengstoffspuren, habe es schon nach der ersten geheißen, stammten aus den Koffern eines Motorrades, das eine Mitbewohnerin ausgerechnet aus der Hinterlassenschaft des Spitzels Klaus Steinmetz gekauft hatte.

Steinmetz ist seit dem Polizeifiasko auf dem Bahnhof von Bad Kleinen im Zeugenschutzprogramm untergetaucht. Er hatte damals seiner Wiesbadener Wohngemeinschaft wegen gehabter Unbill sein Auto, seinen Computer und das Motorrad vermacht. Die Frankfurterin, flüchtig mit Steinmetz bekannt, erstand die Suzuki billig und ließ sie wegen eines Defektes an einer Autobahnraststätte stehen. Dort war die Maschine der Polizei aufgefallen. Seither nehme der Ärger kein Ende mehr.

Im Namen von 15 Erwachsenen und zwei Kindern protestierten die BewohnerInnen gegen Meldungen, nach denen die Spuren aus ihren Sachen stammten. Sie seien ausschließlich V-Mann Steinmetz zuzuordnen. Außerdem habe die Polizei bei ihnen einschließlich Keller, Dachboden und Kinderzimmern „alles mit Staubsaugern abgesaugt“, mehrere Autos, Motorräder und „an die 80 Taschen“ beschlagnahmt.

Die BewohnerInnen mögen inzwischen nicht mehr an die Sprengstoffunde vom September 1994 glauben: „Inzwischen ist nur noch von Sprengstoffkomponenten die Rede.“ Und das könne vielerlei sein. Heute werden sich vier von ihnen in Karlsruhe bei der Bundesanwaltschaft einfinden, die sie zur Zeugenvernehmung geladen hat. Sie wollen jetzt, nachdem zwei in den ersten Vernehmungen noch bereitwillig ausgesagt hatten, die Aussagen verweigern. Sie fordern statt dessen eine neutrale Untersuchungskommission: „Wir wollen uns nicht mehr in undurchschaubare Geheimdienstaktionen hineinziehen lassen.“

Die Bundesanwaltschaft habe ihnen bei Aussageverweigerungen, wie in anderen Fällen in jüngster Zeit, Beugehaft angedroht. Das treffe vor allem ein Paar mit einem Kleinkind und einen Auszubildenden besonders hart. Heide Platen

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