Bittere Pille

■ Thalia: Dröges Gastspiel von Jérome Savary und seinen Magic Circus Old Stars

Manchmal hat es der Rezensent leicht. Besonders einfach scheint es, wenn die Kritik im Stück selbst mitgeliefert wird. Bei Savarys musikalischer Revue in dreizehn Bildern sagt der Schauspieler, der einen Journalistendarsteller mimt, eigentlich alles. Als jener geleckte Laffe im rosa Anzug bei einer Reportage über „Has-Beens“ Savary als Savary mit folgender Feststellung kennzeichnet: „Fast 30 Jahre Theater, und dabei kam kaum mehr als Dreck heraus.“

Die ersten Szenen, eine Farce über die Eitelkeiten im Theater, kann man immerhin noch mit etwas selbstgefälligem aber charmantem Unsinn bezeichnen: Robert Wilson thront als vom Assistenten abhängige Tunte im Regiesessel und Darsteller aus dem alten Magic Circus, die bei Peter Brook untergekommen seien, muß Savary mühsam zusammenklauben. Es mag ja sein, daß Jerome Savarys Theater Anfang der 80er Jahre noch als Revolte des Ordinären, als burleske Auflehnung gegen einen verknöcherten Betrieb gesehen wurde, oder zumindest noch gefiel. Heuer reihen sich Mutterwitz, Kalauer, Klischees und Banalitäten zu einer Entthronisierung des Theaterbetriebs, die längst erfolgte. Savary rennt, was sein Scheitern tragisch macht, indem er Varieté und Clowns aus dem Zirkus ins Theater versetzt, längst offene Türen ein.

Wenn die unfreiwillige Trash-Revue, die einem Ed Wood kaum zur Ehre gereicht hätte, dann tatsächlich beginnt, ist Dreck noch untertrieben. Locker unterschreitet Savary das Niveau von Didi Hallervorden in einer depressiven Phase. Römer werden dann mit Plastikklöten bis zu den Knien behängt. Einer aus dem Publikum, bis auf die blaue Unterhose von Karstadt entkleidet, darf mit der Striptease-Tänzerin Nina Stromboli im Bett mit den Zehen wackeln. Manch einer auf den Rängen schien wenigstens bei den Stripeinlagen der Stromboli, die man im Salambo zünftig ausgepfiffen hätte, auf seine Kosten zu kommen und zückte lüstern sein Opernglas.

„Dann mach ich mir ein Schlitz ins Kleid und find es wunderbar“, schien sich auch Savary und seine desolate Truppe aus Freunden zu denken. Schön, daß sich seine alten Kumpane Michel Lebois (Bühnenbild) und Michel Dussarat (Kostüme), Alain Poisson (Licht) und Christian Hillion (Musik) nach all den Jahren zusammenfinden mit dem Liliputaner (Carlos Pavlidis) ihren Spaß haben und dann noch Vanessa Devraine als Stripperin treffen. Weniger schön, daß Savary die Knallchargen, die zuvor nur für die Produktion zuständig waren, auf die Bühne zwingt. Und noch viel weniger schön, daß man sich das ansehen muß. Vielleicht hat es der Rezensent eben doch nicht leicht. Volker Marquardt