■ Das Portrait
: Leise Stärke

Als Isabel Martinez im vergangenen Jahr in den Beraterstab des neugewählten kolumbianischen Präsidenten Ernesto Samper berufen wurde, nahm sie pflichtbewußt an. Die heute vierzigjährige zierliche Frau, die in ihrem großen Büro im Präsidialratsgebäude fast verloren wirkt, hat reiche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem neuen Staatschef: Sie hat seinen Wahlkampf geleitet und war an der Formulierung des neuen Sozialprogramms beteiligt.

Mit Samper, der die wirtschaftliche und politische Öffnungspolitik seines Vorgängers fortführen will, ist sich Martinez über ihre Vision eines neuen Kolumbien einig: „Wir wollen eine friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft“, sagt sie und weist auf ein dickes Buch auf ihrem Schreibtisch, in dem das Herzstück der neuen Regierungspolitik zusammengefaßt ist: „Salto Social“ (Sozialer Sprung nach vorn) heißt das Mammutwerk, das die Armut und Diskriminierung im Lande beenden soll.

Kolumbien – dessen Statistiken zeigen, daß die Wirtschaft des Landes zu den erfolgreichsten Lateinamerikas gehört – ist von Gewalt und einer tiefen Kluft zwischen Arm und Reich gekennzeichnet. Umgerechnet 60 Milliarden US-Dollar wollte die Regierung ursprünglich in vier Jahren ausgeben, das Sozialversicherungssystem völlig umbauen und neue Hilfsprogramme entwickeln – wie sie das Geld dafür auftreiben wollte, war allerdings nicht ganz nachzuvollziehen.

Isabel Martinez, kolumbianische Präsidentenberaterin für Sozialpolitik Foto: Jutta Lietsch

Bevor sie mit Samper in den Wahlkampf ging, hatte die promovierte Soziologin 15 Jahre lang Erfahrung in staatlichen Sozialbehörden gesammelt. Sie war in der Stadtverwaltung von Bogotá für Bürgerbeteiligung und für Sozialplanung zuständig. Sie befürwortet die stärkere Partizipation von Bürgerinitiativen an der Politik. Eine zeitweilige enge Zusammenarbeit mit der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung war nicht ohne Einfluß auf die Formulierung ihrer sozialdemokratischen Vorstellungen, eine Erfahrung, die sie übrigens mit Samper teilt.

Isabel Martinez, die den repräsentativen Pflichten, die mit ihrem Job einhergehen, offensichtlich wenig abgewinnen kann, verliert alle anfängliche Schüchternheit, wenn sie erklärt, wie die KolumbianerInnen in der künftigen friedlichen und gerechten Gesellschaft sein werden: „Sie werden produktiver sein, solidarischer, partizipativer, toleranter, umweltbewußter“, sagt sie überzeugt. Jutta Lietsch