: Theo Müller (Milch) sollte entführt werden
■ Dramatischer Polizeieinsatz auf der Autobahn/ Entführer verschwunden
Augsburg (taz) – An sich sollte es streng geheimgehalten werden, wer da am Mittwoch morgen im Landkreis Augsburg Opfer einer beinahe geglückten Entführung wurde. Diskretion! — auf ausdrücklichen Wunsch des Opfers hin. Doch dann konnte der Augsburger Landrat Karl Vogele (CSU) es ganz offensichtlich nicht für sich behalten, was er kurz vorher dienstlich erfahren hat. Die Geschichte war auch zu spannend. So plauderte er denn, sehr zum Entsetzen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Opfers, bei einer Bürgermeisterversammlung munter drauf los, so, als ob er dabei gewesen wäre. Der von ihm so sehr geschätzte Theo Müller (55), hörten die erstaunten Kollegen, war eben das Ziel eines offenbar bestens vorbereiteten professionellen Überfalls gewesen.
Es geschah um kurz nach halb neun. Auf einer kleinen Straße zwischen den Ortschaften Agawang und Häger in Bayerisch- Schwaben stoppten zwei als Polizisten verkleidete Männer einen Pkw. Es war der Mercedes-Coupé des Molkereibarons Theo Müller aus Aretsried, der gerade von seinem Wohnort Aystetten aufgebrochen war, um zu seiner Firma zu fahren.
Die Täter hatten freilich nicht mit dem energischen Widerstand des Besitzers der größten deutschen Molkerei (Jahresumsatz 1,3 Millionen Mark) gerechnet. Der in jeder Hinsicht für sein „hemdsärmeliges“ Vorgehen bekannte Theobald Müller („Ich lasse mir nichts gefallen!“) schlug heftig um sich, als ihn die beiden etwa 30 Jahre alten Räuber aus dem Auto zerrten. Glück für den Milchbaron, daß gerade in dem Moment, als er schon beinahe überwältigt war, ein anderer Pkw heranfuhr. So ließen die beiden Männer von Müller ab und flüchteten in einem Pkw- Kombi mit gefälschten Kennzeichen. Vorne deutsch, hinten französisch!
Die Polizei leitete sofort eine Großfahndung ein, in deren Verlauf es teilweise zu erheblichen Behinderungen auf der Autobahn A8 zwischen Augsburg und Günzburg kam. In ein nahes Waldstück hatten sich die beiden 30jährigen nämlich geflüchtet, nachdem sie ihren Pkw am Waldrand abgestellt hatten. Vier Polizeihubschrauber, mehrere Streifenwagen und Spezialkräfte waren im Einsatz. Aber alles vergeblich.
Bei den entwischten Tätern handelt es sich offensichtlich um Profis. Einer von ihnen sei, sagt die Polizei, durch sein ungepflegtes Äußeres aufgefallen. Er sei mittelgroß und trage einen hellen Vollbart. In den vergangenen Tagen sei der grüne Pkw-Kombi mehrmals in der Nähe des Tatortes gesichtet worden.
Für Theo Müller war es nicht das erste Mal, daß er Ziel von verbrecherischen Aktivitäten wurde. In den vergangenen Jahren hatten mehrmals Erpresser versucht, den Molkereibesitzer mit dem geschätzten Vermögen von rund 400 Millionen Mark, um einige Millionen zu erleichtern, indem sie drohten, seine Produkte zu vergiften. Daß der Entführung – wenn sie geklappt hätte – eine Erpressung folgen sollte, erscheint auch dem Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft Jörg Hillinger wahrscheinlich.
Hillinger bestätigte, daß sich der erste Tatverdacht nicht erhärtete. Zunächst waren nämlich zwei polnische Staatsangehörige verhaftet worden. Sie mußten jedoch wenig später wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Theo Müller, der bei dem Überfall am Hals eine leichte Schürfwunde erlitt, fuhr wenig später wieder ins Büro. Klaus Wittmann
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen