: Skandal im CDU-Haus?
■ Proteste und viele offene Fragen nach Weser-Kurier-Veröffentlichung / CDU-Fraktionsvize Helmut Pflugradt bestreitet alles und schweigt
„In reißerischer Aufmachung“ berichtete der Weser-Kurier über eine angebliche Vergewaltigung im Hause des CDU-Politikers Pflugradt, kritisierte gestern die Bremer SPD. „Wer die Berichterstattung liest, fragt sich, weshalb der Name des CDU-Politikers überhaupt ... genannt werden muß.“ Bisher sei „Pflugradt selbst mit der angeblichen Straftat nicht in Verbindung zu bringen“.
Die CDU-Fraktionsspitze, die von den kursierenden Vorwürfen seit Monaten weiß, äußerte sich sehr zurückhaltend: „Bevor die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht abgeschlossen sind, kann die CDU-Bürgerschaftsfraktion den in der Öffentlichkeit behaupteten Sachverhalt nicht bewerten“, formuliert CDU-Fraktionschef Neumeyer lakonisch und fordert eine „zügige und lückenlose Aufklärung“.
Dies ist in der Tat das Problem. Monatelang kamen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – die Akte lag auf dem Schreibtisch von Hans-Georg von Bock und Polach – nicht voran. Nachdem von Bock zum Staatsrat im Innenressort aufrückte und eine Kollegin den Fall übernahm, konnten die Ermittlungen rasch bestätigen, was monatelang nur Gerücht und Verdacht war: Ein 22jähriger Mann, der einen ihm namentlich unbekannten Mann der Vergewaltigung bezichtigt und Anzeige erstattet hat, kann das Haus des CDU-Politikers Pflugradt mit großer Sicherheit als „Tatort“ identifizieren. Pflugradt bestreitet einen Zusammenhang („alles Quatsch“), hat aber offenbar einen Anwalt beauftragt, mit dem die Staatsanwaltschaft über die Möglichkeit einer Hausdurchsuchungund Inaugenscheinnahme des Swimming-Pools verhandeln muß. Dort, so hat der 22jährige erklärt, sei die sexuelle Nötigung passiert, den Swimming-Pool werde er zweifelsfrei wiedererkennen, auch den Hund (Boxer).
Am 29.11.1994 ist es passiert, am Tag nach einem CDU-Parteitag in Bonn. Der junge Mann, Andre W. ist in Frankfurt in den Zug gestiegen, in Bonn steigt ein Mann zu, mit dem Andre W. ins Gespräch konmmt. Beide trinken viel, erkennen offenbar gegenseitig ihre homosexuellen Neigungen. Andre W. fährt bis Bremen mit, steigt dort in den dunklen BMW des Unbekannten. Der BMW fährt nach Bremen-Nord, dort in eine Garage, aus der ein direkter Zugang in die Wohnräume führt. Als Andre W. am Tag danach mit der Polizei den Tatort sucht, findet er den Weg bis in die Nähe des Pflugradt-Hauses wieder, das Haus selbst aber nicht. Später kommt ein Polizist auf den Gedanken, daß Andre W. das Pflugradt-Haus gemeint haben könnte, er teilt dies der Staatsanwaltschaft mit. Seit November 1994 steht dessen Name in den Ermittlungsakten.
Weil sich der Verdacht nicht gegen Pflugradt als möglichen Täter richtete, wurde er bisher nicht förmlich vernommen. Seitdem die Staatsanwältin den Andre W. vernommen hat und sich Pflugradts Haus als mutmaßlicher Tatort bestätigt hat, muß der CDU-Fraktions-Vize aber als Zeuge gelten: Auch wenn es nicht sein eigener BMW gewesen sein sollte, muß er doch wissen, wer am Tag nach dem CDU-Parteitag so selbstverständlich in seine Garage fahren und bis in die Nacht hinein seinen Swimming-Pool benutzen konnte.
Aber Pflugradt will von alledem nichts wissen und auch nichts dazu sagen. Gegenüber dem Weser-Kurier stritt er sogar ab, einen Anwalt beauftragt zu haben, um über das Durchsuchungsbegehren zu verhandeln. Offenbar hatte er auch gegenüber dem Landesvorsitzenden und dem Spitzenkandidaten der CDU in den letzten Monaten nicht alle Zweifel ausgeräumt, als sein Name als möglicher Fraktionsvorsitzender genannt wurde und in diesem Zusammenhang eine drohende Veröffentlichung über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Argument wurde. Offenbar nimmt er eher in Kauf, daß der Verdacht der Komplizenschaft auf ihm hängenbleibt, als mit bereitwilligen Auskünften die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu unterstützen.
„Wenn jemand in mein Haus will, muß ich schon wissen, warum“, hatte er nur versichert – bezogen auf die Staatsanwältin. K.W.
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