: Am Ende doch nur „dumme Bankräuber“?
■ Bisher fünf des Bankraubs Tatverdächtige festgenommen / Polizei spricht von Durchbruch / Von Beute fehlt jede Spur
Ist die profimäßig durchgeführte Geiselnahme in einer Filiale der Commerzbank in Zehlendorf, bei der vor drei Wochen vier maskierte Männer 5,6 Millionen Mark Lösegeld erpreßten und durch einen Tunnel entkamen, ein Coup stinknormaler Bankräuber, die sich durch menschliche Schwächen verraten haben? Oder sind der Polizei bisher nur die kleinen Fische ins Netz gegangen, während die Großen längst auf einer Karibikinsel die Moneten zählen?
Vierhundert Mark teure Schuhe, edle Klamotten, der urplötzliche Kauf von kompletten Wohnungseinrichtungen – das fiel auf. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung gelang es der Sonderkommission „Coba“ (Commerzbank) am Donnerstag, insgesamt vier Tatverdächtige durch ein Sondereinsatzkommando festzunehmen. Der zuletzt Festgenommene, ein 23jähriger Deutscher, wird voraussichtlich heute dem Haftrichter vorgefühert. Bei den anderen handelt es sich um Syrer zwischen 32 und 45 Jahren, die nach Polizeiangaben seit vielen Jahren in Deutschland leben und bisher „nicht wesentlich polizeilich in Erscheinung“ getreten sind.
Ein 33- und ein 45jähriger Syrer wurden gestern nachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Allen Tatverdächtigen wird schwere räuberische Erpressung und schwerer Raub zur Last gelegt.
Der erste Tatverdächtige, der der Polizei bereits vor zwei Wochen ins Netz ging, sitzt weiterhin in Haft. Nachdem der 30jährige Syrer am Donnerstag erneut dem Haftrichter vorgeführt worden war, wurde der Haftbefehl bekräftigt. Die Soko „Coba“ geht davon aus, daß möglicherweise alle Verdächtigen bei dem Lackierer, der seine Werkstatt schräg gegenüber der überfallenen Commerzbank hatte, gearbeitet haben.
Auf der gestrigen Pressekonferenz sagte Soko-Leiter Detlef Büttner, der sich mit seiner fast zweijährigen Jagd auf den ehemaligen Lackierer und Kaufhauserpresser „Dagobert“ Meriten verdient hat, daß in den Wohnungen der Tatverdächtigen Beweismittel gefunden wurden, „die zum Tunnel paßten“.
Ob unter den fünf Festgenommenen die vier Bankräuber sind, die sechzehn Geiseln siebzehn Stunden lang in der Bank festgehalten hatten, sagte er mit Hinweis auf die noch laufenden Ermittlungen nicht. „Über die Hälfte der Tätergruppe haben wir“, verriet er. Von der Beute fehlt bisher jede Spur.
Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge verkündete gestern stolz: „Wir tappen nicht mehr im dunkeln.“ Er lobte den Einsatz der „großstadtwürdigen Polizei“ bei der „großstadtwürdigen Straftat“. Nach anfänglicher Begeisterung über den profimäßigen Bankraub habe sich nun herausgestellt, daß die Täter „doch nur dumme Bankräuber“ seien.
Aus Sicht der Ermittlungsbehörden handele es sich „um die Richtigen“, so Karge weiter. Deshalb spreche er auch ganz bewußt von „den Tätern“. Der Generalstaatsanwalt freute sich gestern besonders über „einen der Herren“, der Angaben machte, „die uns froh, heiter und zuversichtlich stimmen“. Welche, sagte er aber nicht. Die Ermittlungsbehörden glauben, den Plan und die Durchführung des Bankraubs „im einzelnen“ zu kennen und bald alle Täter zu haben.
Trotz der bisherigen Festnahmen buddelt die Polizei vor der Filiale der Bank nach weiteren Spuren der Geiselnehmer. Aufgrund der großen Schäden am Fundament des Gebäudes durch die von den Bankräubern gegrabenen Tunnel mußte die Filiale aus statischen Gründen am Mittwoch erneut geschlossen werden. Die Pressesprecherin der Commerzbank, Angelika Held-Flessing, geht jedoch davon aus, daß die Filiale am Montag wieder öffnen kann.
Derzeit ist die Bank noch damit befaßt, die Höhe der Geldsumme aus den Schließfächern zu ermitteln, die die Geiselnehmer aufgebrochen hatten. Der Wert soll den des Lösegeldes von 5,6 Millionen Mark übersteigen. Mit einer „Kulanzregelung“ versuche man, so die Pressesprecherin, bei entsprechenden Nachweisen Schäden bis zu 20.000 Mark pro Schließfach abzudecken. Barbara Bollwahn
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