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Sie scheut keine Arbeit

Werktätige, Kameradin, Mutter und Freundin: „DDR weiblich?“ – eine Filmreihe im Zeughaus befaßt sich mit dem Frauenbild im DDR-Film  ■ Von Anke Westphal

Zur Einleitung eine Bitte: Lassen Sie sich vom Titel dieser Reihe, die „DDR weiblich?“ heißt, nicht abschrecken, schon gar nicht vom Fragezeichen, welches – mag sein unbeabsichtigt – wieder einmal impliziert, daß es mit dem Frauenbewußtsein im Osten nicht weit her war und deswegen Nachhilfe bei der Aufarbeitung von Frauenleben/Ost not tut – unter westlicher Anleitung, versteht sich.

Lassen Sie sich nicht abschrecken, denn das Zeughauskino zeigt unter dem unseligen Decknamen bis September gute, seltene, heute aber auch kurios wirkende Filme. Nicht nur von Regisseurinnen gedreht und auch nicht nur von Frauen handelnd, wie es der Reihentitel nahelegt, doch was soll's. Feminismus ist mitunter auch nicht mehr als ein Label, unter dem so manches lecke Schiffchen segelt.

„DDR weiblich?“ ist dem Konzept zufolge eher ein dicker Dampfer. Eine nicht ganz neue Idee aus dem Jahr 1990 wurde von Annette Eckert (West) mit viel Liebe aufgegriffen, aber in der Auswahl der Filme nicht immer einleuchtend umgesetzt. Die Filme sind sämtlich zwischen 1947 und 1989 entstanden, Dokumentarfilme, Porträts und Spielfilme. Besonders die letzteren, „Bürgschaft für ein Jahr“ oder „Solo Sunny“ zum Beispiel, können als gelungene Versuche über den Anspruch auf ein subjektives Glück im kollektiven gelten.

„Ramona“ (1980) von Sybille Schönemann zeigt mit erstaunlich anarchischem Gehalt, wie ein im Heim aufgewachsenes und trotzdem unangepaßtes Mädchen ihren Vater, einen Dorfbäcker, „stellt“. „Unsere Frauen im neuen Leben“ von Ella Ensink (1956) ist dagegen geradezu der Prototyp eines Agitationsschinkens. Offenbar für den „Augenzeugen“, die politisch-didaktische Vorspeise jedes DDR- Kinogenusses, gedreht, beschreibt der Film gültig die Wunschrolle der Frau im Sozialismus: Emanzipation via Beruf führe dazu, daß „der weibliche Lehrling in den mechanischen Werkstätten keine Seltenheit mehr“ sei.

Von kriegsbedingtem Frauenüberschuß allerdings ist keine Rede. Mit dem paramilitärischen Zukunftspathos der Stalinära, aber auch mit einer Selbstverständlichkeit, derer unsere Gegenwart dringend bedürfte, wird die werktätige Mutter, die Schichtleiterin, Kulturdirektorin, Traktoristin vorgestellt: „Sie nimmt den ihr gebührenden Platz ein ... Sie scheut keine Arbeit, und sie beherrscht sie auch.“ Natürlich ein Idealtypus, aber sicher interessanter als etwa der in Brigitte, die ihren Leserinnen eine nicht minder idealisierte, nur lebensfremdere Paradigmeneinfalt in Person schöner Marketingfrauen, Grafikerinnen und allenfalls Studentinnen anbietet.

Und noch eine idealische, deswegen aber zur Adaption nicht untaugliche Überzeugung aus den Aufbaujahren/Ost sei referiert: „Die berufliche Tätigkeit zerstört nicht das Familienleben. Sie hebt es auf eine neue Stufe.“ Das Wirtschaftswunder/West indes verwies Frauen auf die Möbelpolitur für den Nierentisch.

Das besonders dem Dokumentarfilm der 50er und 60er Jahre eigene Bild der Frau als selbstbewußte Werktätige, Kameradin, Mutter und Freundin, kurzum als Supergeschöpf, prägt auch Renate Dreschers „Rosa Luxemburg“ von 1971. Die Revolutionärin und nicht die Frau, die Kommunistin und nicht die Jüdin waren Inhalt der dem Zentralkomitee der SED vorgelegten Filmfassung. Letztlich entschied die Hauptverwaltung Film beim Ministerium für Kultur, welche Wahrheiten „richtig“ und dem Publikum zumutbar waren.

Ob Defa-Filme vornehmlich „zur Gefühlserziehung“ dienten, wie Annette Eckert behauptet, darf dennoch bestritten werden. Die These allein gibt ein weiteres Mal Anlaß, die Möglichkeit einer deutsch-deutschen ... sagen wir statt „Verständigung“ Einfühlung zu bezweifeln. Zweifelhaft ist auch der Einsatz eines auf Anforderung der Veranstalter von der Gauck- Behörde zur Verfügung gestellten Observationsvideos. Eine Frau wird bespitzelt – soweit zum Frauenbild. Was soll die Sache hier im Rahmen der Filmreihe? Effekthascherei? Marktsegment „Feminismus“, Marktsegment „Gauck“?

Die unterschiedlichen Arten ästhetischer Bewältigung der Differenzen zwischen Wirklichkeit und Utopie machen das eigentliche Potential so einer Reihe aus. Sie lohnen den Kinobesuch. Filme wie „Vergeßt mir meine Traudel nicht“ (1957), „Lots Weib“ (1964/65) und „Beschreibung eines Sommers“ (1963) zeigen sehr wohl, daß Filmemacher und Schauspieler die realexistierende Spannung mit Intelligenz, Phantasie und Humor gestalten und leben konnten.

Bei „DDR weiblich?“ werden Filmfrauen mit gewissermaßen sozialistischer Primärerfahrung wie Elke Schieber vom Filmmuseum Potsdam, Oksana Bulgakowa, Christel Gräf und Tamara Trampe Auskunft zu Entstehung und Kontext der gezeigten Filme geben. Vielleicht bestätigen sie, was die unproduktivste Einsicht nicht ist: Es lebe der große Unterschied.

„DDR weiblich?“, bis 4. 9. , jedes zweite Wochenende im Zeughauskino, Unter den Linden 2, Mitte. Programm heute und morgen siehe Cinemataz vom Donnerstag.

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