Oje, oje!

■ betr.: „Frisco in Köln am Rhein“, taz vom 15./16. 7. 95

Der Artikel über den CSD in Köln ignoriert in infamer Weise die Existenz, Lebensweise und Präsenz von Lesben, beziehungsweise diese wird einfach unter die von Schwulen subsumiert. Ganz verschwiegen werden sie natürlich nicht, das ist heute nicht political correct: Sie schwingen ihren Hintern wie Bowlingkugeln, und ansonsten werden sie an die Schwulen schnell rangeklatscht wie lesbisch-schwul u.ä. Unsinn. Erstaunlich ist nur, daß die Autoren mit pc ansonsten ja überhaupt nichts zu tun haben. Hat da etwa linker Einfluß zugeschlagen? Die bösen Autonomen oder gar die TheoretikerInnen, die nach der Logik der Herren lebensunlustig sind, sollen es doch geschafft haben, unsere wackeren Mannen zu beeinflussen? Oder hat es etwas damit zu tun, daß Denken und Spaß nicht zusammen gehören sollen? Und den Spaß, den die Herren bei ihrem Ausflug aus der Provinz nach Köln hatten, schildern sie ja ausführlich.

Desweiteren werden „homosexuelle“ Seilschaften (gemeint ist schwuler Filz) gelobt und Volker Beck von den Grünen mit dem „toleranten“ Adenauer in einem Atemzug genannt. Ein ganz besonderer Hinweis auf die vielbeschworene grün-schwarze Zusammenarbeit? Einfach klasse. Die Ignoranz der Realität in diesem Artikel ist jedenfalls genauso umwerfend wie der eingeschränkte Blick auf das bunte und vielfältige Treiben von Lesben und Schwulen an diesem Tag in Köln. Lesben und Schwule aus den unterschiedlichsten politischen Richtungen und Motiven haben dementsprechend unterschiedlich ihre Lebensfreude und ihre Forderungen ausgedrückt. Aber das kann nicht über die alltägliche Ausgrenzung in der Öffentlichkeit, die insbesondere die katholische Kirche mit ihrem großen Einfluß auf den Staat und die Stadt Köln bewirkt, hinwegtäuschen. Auch wenn den Herren Schreiberlingen durch die vielen knackigen Männerärsche der Verstand scheinbar etwas vernebelt wurde und sie im katholischen, konservativen Köln bereits San Francisco sehen.

Oje, oje, wenn der Schluß im Artikel: „We are family“ die politischen Hoffnungen der Schwulen wiedergibt, sind wir wohl auf dem besten Weg in die „alleinseligmachende“ Ehe und das traute Heim. Susanne Ahlers, Bonn