Ost-West-Konflikt bei Bosnienkonferenz

■ Die Nato einigte sich in London auf Luftangriffe, aber Rußland ist dagegen

Genf (taz) – Überwiegend kritisch und enttäuscht haben westliche Politiker und Medien am Wochenende auf die Ergebnisse der Londoner Bosnienkonferenz vom Freitag reagiert.

Die Außen- und Verteidigungsminister der fünf Kontaktgruppenstaaten (USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) sowie von elf weiteren Staaten, die an der Unprofor in Bosnien beteiligt sind, hatten sich nicht auf Maßnahmen zur Unterbindung weiterer Angriffe der Karadžić-Serben auf die noch verbliebenen fünf UN-„Schutzzonen“ einigen können.

Statt eines gemeinsamen Beschlusses gab es lediglich eine vom britischen Außenminister Malcolm Rifkind verlesene Abschlußerklärung.

Die bereits in die Hände der Karadžić-Serben gefallene Srebrenica wird darin ebensowenig erwähnt, wie das kurz vor der Erorberung stehende Žepa, Tuzla sowie Bihać und Sarajevo. Lediglich mit Blick auf Goražde werden „Maßnahmen zur Abschreckung weiterer Angriffe“ angekündigt. Weiter heißt es in der Erklärung, es habe unter den Konferenzteilnehmern „starke Unterstützung für die Drohung mit Luftangriffen gegeben“ aber auch „erhebliche Bedenken dagegen“.

Grundsätzlich gegen Luftangriffe und andere militärische Optionen sprachen sich die Außen- und Verteidigungsminister Rußlands, Andrej Kosyrev und Pavel Gratschov, aus. Kosyrev erklärte nach der Konferenz, es sei „nichts beschlossen worden“.

Die USA, Frankreich, Großbritannien und andere Nato-Staaten erzielten zwar grundsätzliche Einigung über die Luftangriffs-option. Doch über die Art und den Umfang von Luftangriffen sowie über die Befehlsgewalt herrscht weiterhin Dissens zwischen den westlichen Staaten sowie mit der UNO.

UN-Generalsekretär Butros Ghali erklärte in Übereinstimmung mit Rifkind, es bleibe bei der im Frühjahr 94 zwischen der UNO und der Nato vereinbarten gemeinsamen Entscheidungs- und Befehlsgewalt für Luftangriffe. US-Außenminister Warren Christopher und Verteidgungsminister William Perry behaupteten hingegen, zumindest mit Blick auf Goražde sei in London das Verfahren verändert worden. Butros Ghalis Sonderbeauftragter für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi, sei „ausgeschaltet“ worden. Die Zuständigkeit für Luftangriffe liege künftig allein bei dem Oberfehlshaber des Nato-Kommandos Süd in Neapal, US-General Smith, und seinem Namensvetter in Sarajevo, dem britischen Oberkommandierenden General der Unprofor in Bosnien.

Selbst wenn die Version der US- Regierung zutreffen sollte, bedeutete dies nicht zwangsläufig ein verändertes Verhalten in der Praxis. In den letzten zwei Jahren waren es fast immer die britischen und französischen Oberkommandierenden der Unprofor in Sarajevo und Zagreb, die über die Anforderung von Nato-Luftangriffen entschieden. Fast immer lehnten sie Luftangriffe ab. Andreas Zumach