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Dudajew erwartet Scheitern der Verhandlungen

■ Der untergetauchte Präsident Tschetscheniens besteht auf der Unabhängigkeit der Kaukasusrepublik / Auch seine Militärkommandeure wollen weiterkämpfen

Moskau (taz) – Strahlender Optimismus eröffnet jeden Tag von neuem die Verhandlungen der Kriegsparteien in Grosny. Doch Greifbares ist bis heute nicht herausgekommen. Vielmehr halten beide Seiten an ihren Ausgangspositionen fest. Die Tschetschenen lassen nicht von ihrer Souveränität, während Moskau nach einem juristischen Passus ringt, der die Kaukasusrepublik auf Gedeih und Verderb an die Föderation bindet.

Einen klaren Dämpfer versetzte der abgetauchte Präsident Dschochar Dudajew den Friedenshoffnungen. Aus einem geheimen Studio des Fernsehens wandte er sich an die Tschetschenen: „Die Diskussionen haben keine positiven Resultate erbracht und werden wohl auch keine erbringen, weil sie in die Hände von Haarspaltern gefallen sind.“ Keine Macht der Welt könne den Willen des tschetschenischen Volkes brechen und es „zurück in den russischen Staat führen“. Im Anschluß bekundeten Dudajews Kommandeure ihre Bereitschaft, für Freiheit und Unabhängigkeit zu sterben.

Zum Auftakt der gestrigen Runde hatte Moskaus Unterhändler Arkadi Wolski gewohnte Zuversicht versprüht, während sein Counterpart, Usman Imajew, zurückhaltend kommentierte: „Die Diskussion wird zeigen, was am Ende des Tages passiert.“ Ein Zitat Wolskis, vom russischen Fernsehen kolportiert, hatte am Sonnabend zu ernsthaften Verstimmungen geführt. Demnach soll der Unterhändler gesagt haben, egal welcher Status vereinbart werde, der Nordkaukasus bleibe ohnehin ein Teil Rußlands. Wolski dementierte, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Die Tschetschenen hegen offenkundig äußerstes Mißtrauen. Mit einer Formel, die den Russen die Möglichkeit offenhält, die Republik zurück in die Föderation zu definieren, geben sie sich nicht zufrieden. Moskaus Verhandler aber dürfen mit weniger auf keinen Fall in den Kreml zurückkehren.

Die Tschetschenen können es indes bereits als Erfolg werten, daß die Russen in Verhandlungen einwilligten, die die Souveränität zum Thema machen. Je länger die Diskussion die Öffentlichkeit beherrscht, desto größer sind ihre Aussichten, ihre Position durchzusetzen. Die gigantische Militärmaschinerie, die von ihnen zum Stillstand gezwungen wurde, wird mit Sicherheit in Kürze ihren Unmut bekunden. Schon jetzt verlangte Verteidigungsminister Gratschow einen Nachschlag von umgerechnet 830 Millionen Mark, um die Versorgung der Armee im Kaukasus zu gewährleisten. Unlängst wurde ein Rekrut in ein Krankenhaus eingeliefert, der nach einigen Wochen Dienst an akuter Unterernährung litt. Klaus-Helge Donath

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