: Berlin hat die meisten Gewaltverbrechen
■ Über 450 Tötungsdelikte im letzten Jahr / Justizsenatorin: „Irreale“ Angst der Bevölkerung vor Gewalt
Die gute Nachricht zuerst: Die subjektive Angst vieler Berliner, Opfer einer Straftat zu werden, sei „irreal“, hat Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) der Kriminalitätsstatistik 1994 entnommen. Als Beweis führte sie den Rückgang bei einfachem Diebstahl (über zehn Prozent), Diebstahl von und aus Kraftfahrzeugen (zwölf und achtzehn Prozent), bei Straßenkriminalität (zehn Prozent), Vergewaltigung (fünfzehn Prozent) an. Insgesamt, so die Justizsenatorin, gab es im letzten Jahr einen Rückgang der Straftaten um 2,6 Prozent auf 550.000 Delikte.
Trotz der Freude der Justizsenatorin darüber, daß sich Berlin nicht zur „Hauptstadt des Verbrechens gemausert“ habe, kommt sie an den schlechten Nachrichten nicht vorbei. So lag Berlin im letzten Jahr bei Gewaltverbrechen wie Tötungsdelikten und Körperverletzung bundesweit „an der Spitze“. Gingen die Tötungsdelikte bundesweit um fast zwölf Prozent zurück, waren es in Berlin nur vier Prozent. Die Statistik zählt über 450 Morde und Totschlagsverbrechen. Raubtaten sind in der Hauptstadt sogar um elf Prozent angestiegen. „Berlin hat mit Gewaltdelikten ohne Zweifel ein Problem“, sagte Peschel-Gutzeit. In der bundesweiten Kriminalitätsskala aber führt Frankfurt/Main mit über 20.000 Delikten auf 100.000 Einwohnern, gefolgt von Magdeburg, Potsdam, Leipzig, Hannover und Lübeck. Berlin folgt mit 15.850 Straftaten pro 100.000 Einwohner auf dem siebten Platz. Die Justizsenatorin kritisierte Bundesinnenminister Kanther (CDU), der den enormen Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität bundesweit lediglich mit „Allgemeinplätzen“ wie fehlender „Wertevermittlung“ begründet hatte.
Die Ursachen dieser „wirklich besorgniserregenden“ Entwicklung lägen vielmehr in zunehmender Armut, Arbeitslosigkeit der Eltern, Ausbildungsnotstand und fehlenden Freizeiteinrichtungen. Für Berlin stellte Peschel-Gutzeit bei bei Kindern und Jugendlichen „praktisch keinen Anstieg“ fest. Der Anteil nichtdeutscher Kinder, so Peschel-Gutzeit weiter, sei in allen Bereichen zurückgegangen.
Kritik übte Peschel-Gutzeit auch an der Äußerung Kanthers, der bundesweit um elf Prozent gesunkene Anteil der Ausländerkriminalität sei auf das geänderte Asylgesetz zurückzuführen. Für einen solchen Zusammenhang gebe es keinen Beleg. Die Zahlen über Ausländerkriminalität seien außerdem „irreführend“, weil Delikte wie Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht ohnehin nur von Nichtdeutschen begangen werden könnten.
Wenn man diese Verbrechen aus der Statistik herausnehmen würde, so die Justizsenatorin, wäre der Rückgang des Anteils von Ausländern an Straftaten noch größer. In Berlin ist der Anteil von Ausländern bei gefährlicher Körperverletzung und Ladendiebstahl um siebzehn Prozent zurückgegangen. Ihr Anteil an Wohnungseinbrüchen, Glücksspiel und Rauschgiftdelikten hat sich dagegen erhöht. Barbara Bollwahn
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