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Bill Clinton versucht mit aller Kraft, den US-Senat von seiner für heute geplanten Abstimmung über eine einseitige Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien abzuhalten. In den USA genießt der Vorstoß der Republikaner, den Bosniern zumindes

Bill Clinton versucht mit aller Kraft, den US-Senat von seiner für heute geplanten Abstimmung über eine einseitige Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien abzuhalten. In den USA genießt der Vorstoß der Republikaner, den Bosniern zumindest zu ermöglichen, sich angemessen zu verteidigen, große Sympathie.

Empörungspegel nimmt US-Senat in die Pflicht

Die Tochter des Vizepräsidenten war es, die die Männer im Weißen Haus die Fäuste ballen ließ. Karenna Gore soll – so die Legende in der US-Presse – ihrem Vater das Photo einer jungen Muslimin aus Srebrenica gezeigt haben, die sich nach dem Sturm der „Schutzzone“ durch die Serben an einem Baum erhängt hatte. Daß die USA so etwas tatenlos zuließen, erklärte die 21jährige, sei nicht mit ihrem Verständnis der Prinzipien und Werte ihres Landes zu vereinbaren. Der Vater gab es letzten Dienstag im Weißen Haus bei einem Krisentreffen weiter, das Bill Clinton schließlich mit den markigen Worten beendet haben soll: „Die gegenwärtige Situation ist unerträglich, wir müssen irgend etwas unternehmen.“

Zweifellos nehmen Fernseh- und Zeitungsbilder und der damit stimulierte Empörungsschub derzeit wieder Einfluß auf die Überlegungen der US-Regierung und des US-Militärs zur Bosnien-Politik. Der „CNN-Faktor“, der aufgrund der Prominenz der Bosnien-Reporterin Christiane Amanpour in den „Amanpour-Faktor“ umbenannt worden ist, gilt längst als Variable, die bei allen strategischen Planspielen des Pentagon einbezogen wird. Und so lange man sie nicht namentlich zitiert, machen Präsidentenberater und Militärs ganz ungeniert deutlich, daß man im Fall Bosnien vieles für erträglich hält – vorausgesetzt, es wird nicht im Fernsehen gezeigt.

Neben dem Empörungspegel der Öffentlichkeit spielen vor allem zwei Punkte eine entscheidende Rolle in der US-amerikanischen Bosnien-Politik: Die Clinton-Regierung will um jeden Preis eine Entsendung von Bodentruppen nach Bosnien vermeiden – und fürchtet deshalb den Zusammenbruch und den Abzug der UN- Truppen, der sie zwingen würde, ein höchst unbequemes Versprechen zu erfüllen: die Entsendung von 25.000 US-Soldaten als Begleitschutz für den UNO-Abzug. Nicht zuletzt deshalb ist das Pentagon letzte Woche nach neuen strategischen Überlegungen zu dem Schluß gekommen, daß sich der UNO-Abzug auch mit sehr viel weniger Nato-Soldaten als Eskorte bewerkstelligen ließe.

Der zweite Punkt: Man will in Washington gleichzeitig einen offenen Bruch im Nato-Bündnis vermeiden. Das ist am letzten Freitag bei der Bosnienkonferenz von 16 Nationen in London gerade noch einmal gelungen. Mit dem Ergebnis der Londoner Konferenz und dem gestern an die bosnischen Serben gerichteten Ultimatum hofft Clinton nun, eine weitere Gefahr für das alliierte Bündnis vorerst abzuwenden. Die kommt in diesem Fall nicht aus Bosnien, wo serbische Truppen den x-ten Aktionsplan der Alliierten als Bluff entlarven wollen, oder aus Paris, wo Frankreichs Präsident Jacques Chirac durch die Forderung nach militärischer Verstärkung der Blauhelme den USA die „traditionelle Rolle als Cowboy und Oberpolizist“ (New York Times) abzunehmen droht. Sie kommt aus Washington, wo der Senat für heute die Abstimmung über die einseitige Aufhebung des Waffenembargos geplant hat.

Ein Votum war bereits für letzte Woche vorgesehen, doch auf persönliche Bitte des Präsidenten hin hatte sich der Mehrheitsführer der Republikaner, Bob Dole, bereit erklärt, bis Dienstag zu warten. Dole gehört zu den schärfsten Kritikern der Bosnien-Politik der Clinton-Regierung und der UNO. Eine Intervention amerikanischer Truppen lehnt er ebenso wie Clinton ab. Doch in der Öffentlichkeit stieß der Republikaner immer wieder auf Sympathie mit seiner Forderung, man müsse den bosnischen Muslimen wenigstens die Möglichkeit geben, sich angemessen zu verteidigen. Inzwischen dürfte diese Position allen Voraussagen zufolge auch eine Zweidrittelmehrheit im Senat finden. Auch im Repräsentantenhaus erscheint eine Zweidrittelmehrheit möglich, womit ein Veto des Präsidenten nutzlos würde. Der Bruch mit den westlichen Alliierten aber wäre programmiert.

Allerdings würde dies keineswegs bedeuten, daß amerikanische Schiffe oder Flugzeuge schweres Gerät made in USA gen Bosnien transportieren würden. Amerikanische Waffen erfordern amerikanische Ausbilder – und die will auch im Kongreß niemand in das Kriegsgebiet entsenden. Die von Dole und seinem Senatskollegen Joseph Lieberman, einem Demokraten, eingebrachte Vorlage enthält deshalb auch keinerlei Details über Umfang und Absender von zukünftigen Waffenlieferungen. Bislang besagt sie lediglich, daß das Embargo einseitig aufzuheben sei, wenn eines von zwei Kriterien erfüllt ist: Entweder sind die UNO- Truppen abgezogen, oder die bosnische Regierung hat das Ende der UNO-Mission gefordert. Im zweiten Fall müßte das Embargo einseitig innerhalb einer Frist von zwölf Wochen aufgehoben werden. Als Waffenlieferanten hat man ganz offensichtlich Verbündete in der islamischen Welt ins Auge gefaßt: Saudi-Arabien und Jordanien, die nach dem Fall von Srebrenica erklärt haben, sie wollten den bosnischen Muslimen nun zur Seite stehen. Waffenlieferungen erhält die bosnische Regierung bereits aus Pakistan, dem Iran, Malaysia und der Türkei. Auf der Konferenz islamischer Staaten letzte Woche in Genf erhielt Bosniens Außenminister Sacirbey weitere Zusagen über Lieferungen. Andrea Böhm, Washington

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