piwik no script img

Drei legale Spritzen am Tag für Heroinsüchtige?

■ PolitikerInnen in Dänemark diskutieren eine beschränkte Abgabe des Stoffes, nachdem bisherige Erfahrungen mit einem Methadon-Programm nicht sehr gut sind

Kopenhagen (taz) – „Viele kann man aus der Drogensucht nicht heraustherapieren – warum soll man ihnen dann nicht drei Spritzen pro Tag geben?“ Wie Connie Didriksen treten immer mehr PolitikerInnen in Dänemark für eine teilweise Freigabe von Heroin ein. Didriksen ist Vorsitzende des Sozialausschusses in einem Stadtteil der dänischen Hauptstadt. Für eine Heroinbehandlung sprechen sich aber mittlerweile nicht mehr nur die direkt von der Problematik überrollten KommunalpolitikerInnen aus.

Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion im Folketing einen Gesetzentwurf einbringen, der die beschränkte Freigabe der Droge vorsieht, wenn dies im Zusammenhang mit einer Behandlung geschieht.

Tove Lindbo Larsen, gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, erwartet, daß zunächst Versuche in Zusammenarbeit mit einer Therapie in der Klinik starten werden. An eine ambulante Verordnung von Heroin und den Einsatz von „Drogenbussen“ nach holländischem Vorbild denke man aber noch nicht.

Dänemark hat mit der bereits vor über zehn Jahren eingeleiteten großzügigen Freigabe von Methadon zur ambulanten Behandlung – abgesehen vom verminderten HIV-Risiko – keine sehr guten Erfahrungen gemacht. Ohne einen Behandlungszusammenhang kann Methadon von praktischen Ärzten nahezu grenzenlos verschrieben werden. Die Hoffnung, damit die Heroin-Todesfälle zu verringern und Kriminalität und Prostitution aus der Drogenszene wegzubekommen, erfüllte sich nicht. Viele Heroinabhängige holen sich „ihre“ Methadon-Tabletten nur, um sie auf dem schwarzen Markt gegen Heroin zu tauschen, das den „besseren Kick“ gibt. Die Polizei schätzt den Umfang des illegalen Handels mit ärztlich verordneten „Ersatzdrogen“ auf jährlich 40 bis 50 Millionen Mark.

So kam es im wesentlichen nur zu einer Verschiebung innerhalb des illegalen Handels, statt zu einer Verminderung. Heute sterben mehr Menschen am Mißbrauch „legaler“ Drogen als am Heroin, meistens an einer Überdosis reinen Methadons oder auch an einer Mischung des Stoffes mit anderen Rauschgiften.

Auf dem Wege zur Entkriminalisierung des Drogenbesitzes hat man in Dänemark die Grenzen für den straffreien Individualbesitz kürzlich auf zehn Gramm Hasch und 0,2 Gramm Heroin oder Kokain angehoben. Spritzen gibt es kostenlos in Apotheken oder Automaten in der Innenstadt. Reinhard Wolff

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen