Bücherei läßt Leser vor der Tür stehen

■ Zentrale Stadtbibliothek schließt nach den Sommerferien für Umbauten / Es geht auch anders

Bremens LeserInnen werden derzeit auf roten Flugblättern „um Verständnis“ gebeten. Die Zentrale der Stadtbibliothek am Schüsselkorb wird nämlich für mindestens zwei, womöglich sogar für drei Monate geschlossen. Und das nicht etwa in den Sommerferien, sondern haargenau danach ab dem ersten Schultag, dem 21. August.

Als Grund nennt das kleine Flugblatt, das derzeit in allen Bibliotheken ausliegt, die Einführung der EDV: „Zunächst bringt die Umstellung einige Nachteile mit sich“, heißt es dort, „zur Vorbereitung müssen bauliche Maßnahmen stattfinden.“ Und selbst nach der bisher für den 31. Oktober geplanten Wiedereröffnung müssen die LeserInnen weiterhin „Verständnis“ aufbringen. Dann nämlich soll die Zentralbibliothek auf unbefristete Zeit Montags geschlossen bleiben. Außerdem müsse, so das Flugblatt, „jeweils eine Etage nach der anderen geschlossen werden, um die Bücher in das EDV-System einzugeben“. Als erstes ist die Abteilung für Medizin, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Religion, Sport, Technik und – sinnigerweise – EDV dran.

„Wir können eben nur im Rahmen unserer Möglichkeiten handeln“, entschuldigt die Leiterin der Bremer Stadtbibliothek, Barbara Lison-Ziessow, die erneute Schließung der Zentralbücherei, die erst Anfang 1992 für einige Wochen bei Umbaumaßnahmen ihre Kundschaft komplett vor die Tür gesetzt hatte. Im ganzen Haus müßten jetzt für die EDV Kabel verlegt und einige Wände durchbrochen werden: „Das macht für den normalen Betrieb zuviel Lärm und Dreck.“ Und für die Beauftragung eines normalen Handwerksbetriebes, der diese Aufgaben in ein paar Tagen erledigt hätte, fehle eben das Geld. Lison-Ziessow: „Deswegen können wir mit den Umbauten auch nicht in den Sommerferien beginnen, denn da ist unser Haushandwerker noch in Osterholz beschäftigt.“

Besonders überzeugend sind diese Argumente allerdings nicht. Schließlich ist die Einführung der EDV im Schüsselkorb seit Jahren beschlossene Sache. Also hätten auch die nötigen Umbauten 1992 miterledigt werden können. Und wenn die Bibliothek schon partout geschlossen werden soll, dann hätte dies zumindest in den sowieso publikumsarmen Sommerferien passieren können. Jedenfalls dann, wenn die Stadtbibliothek ein Interesse daran hätte, ihre LeserInnen freundlich zu behandeln.

Daß dies nämlich auch bei knappsten Mitteln durchaus möglich ist, hätten die Bremer BibliothekarInnen mit einem Blick in den nahen Osten Deutschlands erkennen können. Im 130.000 Einwohner großen brandenburgischen Cottbus ist vor einem Jahr die Zentralbibliothek ohne einen einzigen Schließungstag auf EDV umgestellt worden. Bei gleicher Größe wie die Bremer Zentrale (gut 150.000 Bücher) und sogar etwas weniger MitarbeiterInnen (gut 20 statt knapp 30 in Bremen) behinderten dort Umbauarbeiten und Nachbearbeitung der Bücher den Leihverkehr kaum.

„Wir haben eben alle mit angepackt“, sagt Uta Jakob, Abteilungsleiterin in der Cottbuser Bibliothek. Die Buchdaten seien im Lauf von zwei Jahren von den Angestellten „nebenbei“ in die Computer eingegeben worden. „Natürlich wäre uns eine Schließung auch lieber gewesen, um die Arbeit in Ruhe zu machen“, meint Jakob, „aber dann hätten ja die Leser vor der Tür gestanden.“

Das werden sie nun in Bremen tun – sollten sich dabei allerdings lieber nicht darauf freuen, hinterher mit moderner EDV bedient zu werden. Denn auch nach dem Umbau wird die Uralt-Zetteltechnik noch monatelang in Betrieb bleiben – solange, bis auch das letzte Buch in den Computer eingegeben und mit einem Strichcode für die elektronische Ausleihe versehen ist. Dann allerdings läßt sich der Bestand aller Bremer Bibliotheken sogar online am Heimcomputer abrufen – verbunden mit der Information, ob und wo das gewünschte Werk zu haben, oder ob es gerade ausgeliehen ist. Ase