„Shell produziert doch!“

■ Der Ogoni-Führer Lazarus Tamana fordert Sanktionen gegen Nigeria: „Die internationale Gemeinschaft muß Druck ausüben“

Als Vorsitzender der Ogoni Community Association vertritt Tamana die Interessen der Ogoni in Europa.

taz: Die nigerianische Regierung ging 1993 mit Gewalt gegen die Ogoni in der Ölregion vor. Seitdem ist das Gebiet für Journalisten nicht zugänglich. Wie ist die aktuelle Lage?

Lazarus Tamana: Die Militärs sind noch im Ogoni-Gebiet. Sie verhaften willkürlich und lassen sich dann die Freilassung bezahlen. Wer sich nicht freikaufen kann, bleibt im Militärcamp, wird geschlagen und gefoltert. Viele wurden im Laufe des Konflikts von ihren Arbeitsplätzen entlassen. Unsere demokratischen Führer wie Moshood Abiola und Ken Saro- Wiwa sind verhaftet. Das ist die Politik des Militärregimes. Shell, das in der Region Öl produziert, schweigt zur Menschenrechtslage und zur Umweltsituation.

Shell behauptet, die Produktion im Ogoni-Gebiet derzeit eingestellt zu haben.

Das stimmt nicht. Shell operiert in Bodo-West und Ibubu-Eleme in West-Ogoni. Außerdem hat Shell im Ogoni-Land erneut Öl gefunden. Das beweißt, daß sie dort aktiv sind.

Ist die nigerianische Regierung eigenständig gegen das Ogoni- Volk vorgegangen, oder hat Shell dazu aufgerufen?

Shell ist Teil der nigerianischen Regierung, wenn es darum geht, die Ogonis zum Schweigen zu bringen. Und wegen seiner 90prozentigen Ölabhängigkeit sprechen wir also vom Öl, von der Regierung und von Shell in einem.

Wie hat sich die Ogoni-Community verteidigt?

Unsere Ältesten schrieben eine „Ogoni Bill of Rights“, worin unsere Hauptforderungen an das Regime niedergeschrieben sind. Wir haben uns auch an Shell gewandt, aber die haben uns vollkommen ignoriert. Unsere Kampagne wird gewaltlos geführt. Wir haben oft Kontakt zum Regime und zu Shell gesucht, aber ohne Erfolg.

Was ist Ihr Hauptanliegen für das Ogoni-Gebiet?

Im Normalfall bekommt ein Landbesitzer Geld, wenn sein Land genutzt wird. Wir bekommen gar nichts. Wir fordern eine Kompensation für die Umweltschäden und eine Reinvestition eines Teils der Öleinnahmen.

Wie hat Shell auf Ihre Forderungen reagiert?

Shell ist arrogant und aufgeblasen. Der Konzern zeigt keine Verantwortung für das Ogoni-Volk und glaubt, mit jeder Regierung tun zu können, was er will. Seiner Meinung nach hat die Umweltverschmutzung im Niger-Delta mit der Ölförderung nichts zu tun. Shell schiebt die ganze Schuld auf die Regierung und behauptet, nichts mit Politik zu tun zu haben.

Gibt es eine Lösung?

Von Shell selbst kann keine Lösung kommen, weil sie nicht mit uns reden. Deshalb muß die internationale Gemeinschaft entweder mit Sanktionen Druck auf die nigerianische Regierung ausüben oder auf Shell Einfluß nehmen. Eine andere Lösung sehe ich nicht. Interview: Daniel Stroux