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Es ist erbärmlich!

■ betr.: „Todesmarsch nach Tuzla“, taz vom 19. 7. 95

Was sich derzeit in Jugoslawien abspielt und wie deutsche (und andere) Politiker darauf reagieren, ist unglaublich. Würde Vergleichbares in der Bundesrepublik passieren und Menschen dabei zuschauen, wäre es unterlassene Hilfeleistung und eine strafbare Handlung. Nichts anderes ist es in Bosnien-Herzegowina. Was muß eigentlich noch verbrochen werden, damit Politiker nicht länger vorschützen, es handele sich um einen „Bürgerkrieg“, man könne da (leider, leider) nichts machen.

Dieser Völkermord ist beendbar. Konzepte liegen vor. Die Regierungspolitiker brauchen nicht einmal selbst zu denken, obgleich sie dafür bezahlt werden. Eines der Konzepte wurde vom Hamburger Friedensforschungsinstitut entwickelt, ähnliche sind in zahlreichen Presseartikeln vorgestellt worden. Egon Bahr hatte in einem Interview des NDR nicht zufällig erklärt, bei Zudrehen nur des Benzinhahns wäre der Krieg in 14(!) Tagen aus. [s. a. „Innerhalb von sechs Monaten hätte man diesen Krieg ersticken können“, taz vom 25. 7. 95. d. Red.] Natürlich müßte den Lieferländern, die wegen ihrer Armut auf diese widerwärtige Einnahme angewiesen sind, eine Kompensation gezahlt werden. Das scheint unseren Politikern aber zu teuer zu sein. Lieber subventionieren sie die Entwicklung von Landminen mit einem Betrag von 360 Millionen Mark jährlich aus Steuermitteln.

Sie könnten auch Deserteuren explizit die Aufnahme in der BRD anbieten, statt dessen laufen Deserteure Gefahr, in die „Heimat“ zurückgeschickt zu werden und damit gezwungen zu werden, sich am Töten zu beteiligen oder getötet zu werden. Auch Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet werden nicht unbürokratisch aufgenommen, sondern möglichst aus einem der reichsten Länder der Welt ferngehalten [siehe „Erstes Willkommen für Flüchtlinge“, taz vom 25. 7. 95 d. Red].

Jeder Krieg ist aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen der Volkswirtschaften politisch und ökonomisch auszutrocknen, sofern es nicht gelungen ist, ihn von vornherein zu verhindern. Helmut Kohl hat viel von der Gnade der späten Geburt gesprochen. Der Jugoslawien-Krieg passiert zu seinen Lebzeiten. Es reicht nicht, daß Einzelpersonen und Organisationen humanitäre Hilfe leisten. Hier ist das Handeln von Politikern erforderlich. [...] Gloria Bornkamp-Baake,

Göttingen

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