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„Fairer Kompromiß" um die Steuer

Waigel und Lafontaine einigten sich auf eine Stufenlösung bei Existenzminimum und Kindergeld. Schmiergeldzahlungen können künftig nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden.  ■ Von Christian Rath

„Jetzt haben wir erst einmal einen Schnaps verdient“, mit diesem drogenseligen Stoßseufzer trat Donnerstag nacht Finanzminister Waigel vor die Presse. Nach einer sechsstündigen Sitzung mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine, dem Verhandlungsführer der Länder, konnte Waigel den entscheidenden Durchbruch beim Jahressteuergesetz 1996 verkünden. Kompromisse beim Kindergeld und beim steuerfreien Existenzminimum ermöglichten die Einigung.

Das steuerfreie Existenzminimum, das bisher bei 5.616 Mark gelegen hatte, muß nach einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts kräftig angehoben werden. Die von der SPD geforderte Höhe von 13.000 Mark wird allerdings erst in drei Stufen bis zum Jahre 1998 erreicht. In ersten Schritten wird der Betrag 1996 auf 12.100 Mark und 1997 auf 12.400 Mark angehoben.

Ein ähnlicher Kompromiß wurde auch für den Kinderlastenausgleich gefunden. Zwar konnte sich die SPD mit ihrer Forderung nach einem Kindergeld von 250 Mark für das erste und zweite Kind nicht durchsetzen. Ab 1997 soll das Kindergeld aber immerhin von 200 auf 220 Mark steigen. Lafontaine kündigte bereits an, daß die SPD mittelfristig an ihrem Ziel festhalten werde.

Nachdem die Kernforderungen der SPD immerhin ansatzweise erfüllt waren, mußte sie ihrerseits bei der organisatorischen Neuordnung des Kindergeldes nachgeben. Bisher war das Kindergeld eine Bundesleistung, die durch die Arbeitsämter ausgezahlt wird. Künftig soll es einfach durch die Arbeitgeber mit der Steuerschuld verrechnet werden. Zuständig sind dann die Finanzämter. Nachteil der Finanzamtslösung aus Sicht der Länder war die größere finanzielle Belastung, da im Steuerrecht eine andere Lastenteilung mit dem Bund besteht. Um diesen Widerstand der Länder zu überwinden, hat Waigel den Ländern „Aufkommensneutralität“ garantiert. Dies soll sogar mittels Grundgesetzänderung festgeschrieben werden.

Zufrieden mit dem „fairen Kompromiß“ (Waigel) sind auch die SPD-Renegaten Schröder und Voscherau. Sie hatten im Vorfeld eine übergroße Belastung der Länder durch die Kindergeldsteuerreform befürchtet. Dank einer Liste von zwölf Subventionsstreichungen in Höhe von insgesamt 4,3 Milliarden Mark belaufen sich die Mehrkosten der Länder jetzt auf „nur“ noch 7,5 Milliarden. Symbolisch wichtig dabei: Schmiergeldzahlungen können nicht mehr als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Dies bringt zwar nur 100 Millionen im Jahr, entspricht aber einer alten Forderung der SPD. Nach den letzten Korruptionsskandalen insbesondere bei Opel zeigte sich endlich auch die Union aufgeschlossen für eine entsprechende Änderung.

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