: Völlig hilflos -betr.: LeserInnenbriefe zur Bosniendebatte
Betr.: LeserInnenbriefe zur Bosnien-Debatte
Es ist schwierig, die bis zu persönlichen Anmachen gesteigerte Heftigkeit der Diskussionen zu ertragen. Die entweder/oder Debatte, die suggeriert, daß es irgendelche von hier aus wesentlich beeinflußbaren Lösungen gibt, ist unangemessen.
Klar ist, daß die ehemalige jugoslawische Armee, die eine der größten in Europa war, durch serbische Nationalisten benutzt wird, ihre chauvinistischen Träume zu verwirklichen. Klar ist auch, daß diese Bestrebungen auf der kroatischen Seite durch nationalistische und faschistische Strömungen eine Entsprechung gefunden haben. Auch die muslimisch bosnische Politik ist nicht frei von nationalistischen Machtbestrebungen, obwohl sich diese aufgrund der regionalen Kräfteverhältnisse in der defensivsten Position befinden. Opfer sind die Zivilisten.
Das ganze findet vor einem historischen Hintergrund statt, der zumindest aus deutscher Sicht nicht unbelastet ist und das ganze beinhaltet Gefahrenmomente, die den Frieden weit über diese Region hinausgehend gefährden, weil weitreichendere Interessen, wie z.B. die der osteuropäischen, der muslimischen und der in der Nato organisierten Staaten, die Dynamik der Entwicklung beeinflussen.
Wer kann aus dem sicheren Bremen heraus sagen, was richtig oder falsch ist? Soll ein Einsatz von NATO-Truppen befürwortet werden, ohne die Interessen der dahinterstehenden Staaten zu sehen? Glaubt irgend jemand, daß Rühe primär aus humanitären Gründen handelt? Der Einsatz der Bundeswehr ist janusköpfig und die Bunderepublik ist nicht interessenlos.
Sollen wir auf der anderen Seite zusehen, wie in Europa Zivilisten abgeschlachtet werden? Kommt nicht der faschistoide Reflex in uns hoch, der nach der starken Faust ruft, die dazwischenschlägt und dem ganzen Grauen ein Ende bereitet? Ich bin vor dem Hintergrund dieser Alternativen ehrlich gesagt völlig hilflos. Eine Lösung wird letzlich nur möglich sein, wenn die Völker Modi des Zusammenlebens finden. Das ist militärisch nicht herzustellen. Wahrscheinlich kann z.Z. nur die Aufhebung des Waffenembargos unterstützt und gehofft werden, daß den Völkern und ihren Führern möglichst schnell die Einsicht kommt, dauerhaft ohne militärische Auseinandersetzung zusammenleben zu können.
Wir sollten aber unsere Diskussionen hier möglichst versachlichen und alle Kraft darauf ver- wenden, wirklich humanitäre Hilfen zu verstärken. Das zu tun ist wenig genug, aber es ist wenigstens etwas. Helmut Zachau, MdBBÜ Bündnis 90/Die Grünen
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