: Unterm Strich
Da sieht man wieder einmal die nationalen Unterschiede. Hierzulande kurieren KrimiautorInnen die Krankheit der Dyslexie (eingeschränktes Lesevermögen), indem sie ihre Sprache dem Krankheitsbild anpassen, in England hingegen bildet sich ein Bürgerverein, der auf Wohltätigkeit ausgeht. Aus Wohltätigkeit nämlich haben 14 namhafte britische Krimiautoren zusammen einen Kriminalroman verfaßt. „The Cruise“ (Die Kreuzfahrt) soll im September auf den Markt kommen und der britischen Hilfsorganisation gegen Dyslexie viele Millionen Mark einbringen. Die ersten Einnahmen sind bereits geflossen, da die Rechte an dem mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren geplanten Buch bereits ans Fernsehen verkauft worden sind. Die 14 Autoren haben ihre Tantiemen dem britischen Dyslexia Institute vermacht. Und das wirft die Frage auf: Gibt es eine solche Einrichtung auch hierzulande? Und hat sie ein Spendenkonto? Fragt sich verzweifelt die Honorarabteilung dieser Zeitung. Leseschwächenprofis, bitte meldet Euch! Chiffre: Blavatzky.
Das paßt ganz gut hierher: Zu Beginn der Karl- May-Festspiele Streit um die historisch-kritische Karl-May-Ausgabe beigelegt. Der Karl-May-Verlag in Bamberg will mit der Karl-May-Stiftung in Radebeul bei Dresden künftig besser zusammenarbeiten. „Wir streben eine freundliche Lösung an“, sagte Verlagsinhaber Lothar Schmid nach langwierigen Streitigkeiten am Freitag in Radebeul zum Beginn der Festspiele. Anfang dieses Jahres sei ein Partnerschaftsvertrag mit der Stiftung geschlossen worden. Streitpunkt sei allerdings weiterhin die von der Stiftung gewünschte Herausgabe eigener Karl-May-Bücher. Insbesondere gehe es um die Veröffentlichung der historisch-kritischen Ausgabe. Schmid wies die Stiftung nochmals darauf hin, daß sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe, die Unterstützung von notleidenden Schriftstellern und Journalisten, konzentrieren sollte. Wahrlich ein edles Anliegen! Für uns wirft die Nachricht von der Existenz dieser Stiftung allerdings die Frage auf: Ob diese Stiftung womöglich bereit wäre, an Dyslexie notleidenden SchriftstellerInnen und JournalistInnen dahingehend unter die Arme zu greifen, daß sie in die Lage versetzt würden, ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, ohne zu schreiben? (Das ist doch kein Leben für kranke Menschen, sich Tag um Tag haarsträubende Sätze wie diesen aus der Nase ziehen zu müssen: „An einer Wand hingen gerahmte Fotos von Menschen, die dem Mann nahegestanden zu haben schienen.“) Hätte es solche segensreiche Literaturverhinderungsstiftung schon seinerzeit gegeben, uns hätte manches Werk von Karl May erspart bleiben können. Da läßt sich nun nichts mehr machen. Aber heute werden die Weichen für zukünftige Generationen gestellt! Wehret den Anfängen! Karl-May-Stiftung, antworte! Chiffre: Blavatzky.
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