■ Mit kommunalem Wegerecht auf du und du
: Datenleitungen für lau

Bonn (taz) – Das Gesetz zur Privatisierung der Telekommunikation ab 1998 wird möglicherweise ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. „Wenn das durchkommt, gehen wir nach Karlsruhe“, kündigt Peter Reh vom Deutschen Städtetag an. Er bezieht sich dabei auf einen Diskussionsentwurf des Postministeriums. Stein des Anstoßes: Minister Wolfgang Bötsch (CSU) will durchsetzen, daß private Anbieter keinen Pfennig bezahlen müssen, wenn sie ab 1998 auf kommunalem Grund und Boden ihre Datenleitungen verlegen. „Das war uns klar, daß diese Passage Widerspruch hervorruft“, meint ein Ministeriumssprecher.

Der Deutsche Städtetag spricht Bötsch schlichtweg die Regelungskompetenz ab. Die Vertreter der Städte und Gemeinden sehen das kommunale Wegerecht beeinträchtigt. Das Verlegen zum Nulltarif verletzt ihrer Ansicht nach zudem die Eigentumsrechte der BürgerInnen, die mit Anliegerbeiträgen schon die bisherige Infrastruktur mitfinanzierten. Geht es nach dem Kölner Dachverband, sollen die Kommunen deshalb entsprechende Gebühren festsetzen und auch kassieren dürfen.

Vorletzte Woche sprachen Abgesandte des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes bei Minister Bötsch vor. Doch der blieb stur. „Privatisierung und Liberalisierung“, so seine Meinung, „sind keine Veranstaltung, um die Finanzen der Kommunen zu sanieren“.

Der Christsoziale will Gleichheit schaffen beim Rennen um die Marktanteile in der Telekommunikation. Schließlich wird 1998 die Noch-Monopolistin Telekom über eine gewaltige, vom Staat geerbte Infrastruktur verfügen. Ihre private Konkurrenz muß sich diese dann erst noch verlegen – und soll nicht noch teures Wegerecht in den Kommunen dafür zahlen müssen.

Derweil ist nicht auszuschließen, daß Bötsch mit seinem Vorhaben gerichtlich gestoppt wird. Denn Bundesrecht besitzt zwar grundsätzlich Vorrang vor Landes- und Kommunalrecht. Die kommunale Selbstverwaltung aber ist im Grundgesetz als verfassungsrechtliche Garantie verankert. Und die umfaßt eben auch die Finanzhoheit über kommunale Gebühren und Abgaben.

Sollte Bötsch in Karlsruhe hingegen Recht bekommen, könnten dort die Anbieter anderer Dienste wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes klagen: Warum sollen etwa private Stromversorger für die Nutzung kommunaler Wege Gebühren berappen, während ebenso private Telekommunikationsdienste ihren Kabelsalat für lau unter die Gehwege bringen? Bernd Neubacher