Junkies nur verschoben?

■ Der Umzug der Drobs ins Tivoli-Hochhaus löst im Viertel geteilte Freude aus. Man kritisiert die „Vertreibung der Junkies“ und fürchtet ihr Bleiben.

Sind die 150 Junkies, die täglich die Drobs in der Bauernstraße besuchten, nun über den Umzug ihrer Beratungsstelle ins Tivoli-Hochhaus glücklich oder nicht? Das war gestern nicht herauszufinden. Die wenigen, die sich auf der Meile der gnadenlosen Hitze stellten, lagen vielmehr und schliefen fest.

Es schien so, als hätte das Gros der Süchtigen bereits seinen Exodus aus dem Junkie-Viertel ins weniger populäre Bahnhofsviertel begonnen, wo der Presse gestern die neuen Räumlichkeiten der Drogenberatung vorgestellt wurden: Auf knapp 300 Quadratmetern, nur wenig mehr als zuvor, beherbert die Drobs wie gehabt ein Café mit Mittagstisch, die Sozialberatung, die Spritzenausgabe, eine medizinische Ambulanz, Waschmaschinen, Duschen und eine Kleiderkammer. Abgesehen vom Wochenende ist die Drobs von täglich 10 bis 15 Uhr für die Junkies aus dem Viertel und Umgebung geöffnet. Ob sie kommen oder eher „der Meile“ nostalgisch verbunden bleiben, bleibt abzuwarten.

Der Landesdrogenbeauftragte Ingo Michels glaubt an das Gelingen der Verlegung. Auch Herbert Wiedermann, Leiter des Amtes für Soziale Dienste, ist überzeugt, daß die BesucherInnen, von denen viele lange Kontakte zur Drobs hatten, die neuen Örtlichkeiten akzeptieren. Das jedenfalls würde ins Konzept der Planungen passen, und das heißt: Dezentralisierung der Szene.

Vorbei sollen die Zeiten sein, in denen sich sämtliche Innenstadtjunkies am Sielwall trafen, Trauben von Süchtigen in der dichtbewohnten Bauernstraße auf Einlaß warten oder Geschäftsleute zu teilweise fragwürdigen Formen der Selbsthilfe animieren. In Zukunft sollen alle Stadteile was abbekommen und sich um die eigenen Junkies kümmern.

Das aber kann dauern. Denn noch immer stoßen Bremens DrogenplanerInnen in einigen Stadtteilen auf Widerstand, wenn es um die Einrichtung von Beratungsstellen geht. „Dafür muß die Bereitschaft in der Bevölkerung noch größer werden“, sagt Wiedermann. Doch auch im Bahnhosviertel stehen die Gespräche mit Polizei und Geschäftsleuten noch aus.

Frau Noltenius, Sprecherin des vor etwa eineinhalb Jahren gegründeten Runden Tisches im Viertel, sieht diesbezüglich am Bahnhof nicht so große Probleme. Schließlich sei es ein Unterschied, ob sich Drogensüchtige in Vorgärten oder in Hinterhöfen, ob sie sich, wie im Viertel, vor kleinen Tante-Emma-Läden oder , wie am Bahnhof, vor Pornoläden und Spielbanken treffen.

Ob die Junkies sich dort wohlfühlen, ist eine offene Frage. „Niemals“, prognostiziert Jörg Güthler, Geschäftsführer von Tess-Design. Sein Laden liegt direkt an der Sielwallkreuzung, mitten im Fadenkreuz des bisherigen Drogengeschehens. Sein Auge, durch jahrelanges Beobachten geschult, sieht, daß „die Dealer hier nicht wegzukriegen“ sind. Schon, weil die am Tivoli-Haus keine schnelle An- und Abfahrmöglichkeiten hätten, „und das brauchen die ja, wenn die Polizei hinter denen her ist.“

Die Szene gehöre nun mal zum Steintor und umgekehrt. Das wisse jeder in der Bundesrepublik. Sie auseinanderzudividieren sei schon aus ermittlungstechnischen Gründen falsch, da verliere die Polizei vollends die übersicht. Besser wäre daher gewesen, den Junkies, die „hier die kleinen Straßen vollgepißt haben und ihre Spritzen überall hingeworfen haben“, am Steintor Mülleimer und Klos zur Verfügung zu stellen. Dann wäre es auch sauber geblieben, meint Güthler, der immer gut mit den Junkies klarkam. Der Umzug zum Bahnhof sei „ist ein totaler Hirnbiß“.

Auch die Mitarbeiterinnen anderer Geschäfte meinen, daß zu wenig für die Süchtigen getan wurde. „Das sind doch Kranke“, sagt die Inhaberin des Naturkostladens, „und dafür tragen wir als Gesunde die Verantwortung.“ Die Süchtigen würden immer nur verschoben, und das bringe keinen Schritt weiter. Die Mitarbeiterin des Bebob, dessen Inhaber noch vor wenigen Wochen mit seiner Trottoirrevolte gegen die Junkies scheiterte, sieht im Umzug der Drobs ins Bahnhofsviertel eher „eine peinliche Lösung“. Die dort ohnehin vorhandenen Schwierigkeiten mit bestimmten Gruppen könnten sich zuspitzen, fürchtet sie. „Das Problem wird nur verschoben, aber nicht gelöst.“ Andererseits ist sie froh darüber, daß sich jetzt spürbar weniger Junkies in der Nähe ihres Ladens aufhalten.

Schon jetzt sei es „am Steintor so ruhig wie seit 10 Jahren nicht mehr“, bestätigt Revierleiter Manfred Schurwanz. Der Umzug sei notwendig geworden, da über die Jahre zu viele Junkies ins Viertel gezogen waren. Für die müsse man mehr tun, besonders auch Angebote nach 15 Uhr vorhalten. Da das auch im Tivoli-Haus nicht der Fall ist, ist Schurwanz skeptisch, ob die Junkies ihren Standort zum Bahnhof verlegen. „Das Viertel ist ihre Heimat. Die werden hierbleiben, aber eben nicht mehr den ganzen Tag.“ dah