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"Die Ladies machen sich gern schön"

■ Vor fünf Jahren wurde ein Sanitärcontainer für Obdachlose und Prostituierte am Bahnhof Zoo beantragt, morgen wird er eingeweiht / Zwei Betreuungsstellen laufen aus

Der Duschcontainer neben dem Drogenbus des Gesundheitsamtes Charlottenburg am Bahnhof Zoo sieht von außen unscheinbar aus. Doch der dunkelgrüne Kasten mit den supermodernen Metallduschen und -toiletten samt eingebauten Fönen hat es in sich: Für viele junge Obdachlose, Stricher und Prostitutierte ist er oftmals die einzige Möglichkeit, den Dreck der Straße abzuspülen. Duschgel, Handtücher, Körpermilch, Zahnbürste und Zahnpasta gibt es gratis. Die „Damen- und Herrenabteilungen“, so die Sozialarbeiterin Birgit, unterscheiden sich nur geringfügig. Die Frauen können sich im Unterschied zu den Männern zum Haaretrocknen vor einen Spiegel stellen. „Der wird reichlich genutzt“, sagt Birgit, „die Ladies machen sich gern schön.“

„Ah, das war wie eine Erfüllung“, sagt Judy und reibt sich die Haare trocken. Seitdem im Mai der Sanitärcontainer vom Gesundheitsamt Charlottenburg installiert wurde, gehört das 16jährige Mädchen zu den etwa fünf Leuten, die derzeit pro Tag zu den Duschen an der Hertzallee/Ecke Jebenstraße kommen. „Ich glaube, ich war die erste, die hier geduscht hat“, sagt Judy und lacht. Seit „der Streß mit Eltern und Schule“ vor einigen Jahren immer schlimmer geworden sei und der Alltag sie nur noch „angekotzt“ hat, treibt sich das Mädchen mit den kurzen braunen Haaren und den wachen braunen Augen tagsüber auf dem Bahnhof rum, übernachtet bei Kumpels oder „macht durch“. Bevor der Sanitärcontainer, der morgen offiziell eingeweiht wird, aufgestellt wurde, war es für Judy oftmals „etwas kritisch“. Manchmal habe sie eine ganze Woche lang nicht geduscht. „Das war schlimm“, erinnert sich das Mädchen aus Hoppegarten.

Die Sozialarbeiter des Drogenberatungsbusses können nach den drei Monaten Anlaufzeit nur von positiven Reaktionen auf den Sanitärcontainer, der neben den insgesamt vier Duschen über eine Waschmaschine mit Trockner verfügt, berichten. „Sonst ist immer etwas verkehrt“, sagt Birgit. Doch diesmal habe es überhaupt kein „Gemecker“ gegeben. Allein der Standard der Duschen, die täglich von einer Putzfirma gereinigt werden, spräche dagegen.

Der Sanitärcontainer wurde bereits vor fünf Jahren beantragt. „Doch wie es manchmal so ist“, freut sich Birgit, „schließlich wurde Geld frei.“ Weniger rosig sieht es dagegen beim Personal aus. Zwei der vier Mitarbeiter des Drogenbusses haben Zeitverträge, die im August und November auslaufen. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Birgit. Noch halte sich der Andrang zum Duschen in Grenzen. Doch wenn sich das Dusch- und Waschangebot erst so richtig herumgesprochen habe, bräuchte man mehr Personal.

Die Nachricht von dem neuen Angebot hat mittlerweile auch die Drogenszene rund um den Bahnhof Zoo erreicht. „Viele Junkies kommen her, die in unmittelbarer Nähe konsumieren“, erzählt Sozialarbeiterin Birgit. Schon einige Male habe sie Leute rausschmeißen müssen, die drücken wollten. Auch die Gesundheitsstadträtin von Charlottenburg, Annette Schwarzenau (Bündnis 90/Die Grünen), weist ausdrücklich darauf hin, daß der Sanitärcontainer „kein Druckraum“ ist. Doch die Notwendigkeit, einen solchen einzurichten, so Schwarzenau, sei „so offenbar, wie die Szene selbst“. Streetworker schätzen, daß es etwa dreihundert Junkies pro Woche sind, die vom Beratungsbus täglich mit rund 150 Spritzbestecken versorgt werden.

Um zu verhindern, daß der Container als Druckraum mißbraucht wird, sind die Duschen nicht von innen abschließbar. Doch weil „nichts abzuschrauben und zu stehlen ist“, so Birgit, könne man die Leute „in Ruhe lassen“. Nur wenn jemand allzu lange drinnen bleibt, klopft einer der Sozialarbeiter an. Anfängliche Überlegungen, einen Mitarbeiter als Aufpasser vor die Tür zu stellen, habe man fallengelassen. „Wir wollen kein Wachdienst sein“, sagt Birgit. Barbara Bollwahn

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