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"Auffanglager" warten

■ Kritik von VietnamesInnen am "Rücknahmeabkommen" / "Mafiosi werden besser geschützt als kleine Eierdiebe"

Positiv an dem kürzlich unterzeichneten „Rücknahmeabkommen“ zwischen Deutschland und Vietnam sei nur eins: daß der asiatische Staat sich nun nicht mehr weigern könne, seine eigenen BürgerInnen aufzunehmen. Das befanden gestern InteressenvertreterInnen der hier lebenden VietnamesInnen und der bündnisgrüne Abgeordnete Ismail Koșan. Ansonsten aber verstärkt der am 21. September in Kraft tretende Vertrag in ihren Augen eher die Existenzunsicherheit und Lebensangst der Betroffenen.

Ismail Koșan befürchtet, daß das erste aus 350 Personen bestehende „Kontingent“ schon im September in der heißen Wahlkampfzeit nach Hanoi zwangsverfrachtet wird. Die Betroffenen sollen dort zunächst mal in „Auffanglager“ verbracht werden, wo sie womöglich verhört würden. Auch freiwillige RückkehrerInnen, kritisierte der Abgeordnete, würden in diese Lager verbracht. Eine Anklage wegen Republikflucht oder antivietnamesischer Propaganda sei nicht völlig ausgeschlossen. Die vietnamesische Seite habe sich zwar bereiterklärt, auf eine Strafverfolgung von Rückkehrern zu verzichten, aber dies nur in einem dem Abkommen angehängten Briefwechsel. „Das muß jemand dort kontrollieren“, forderte Vu Van Son, die Vorsitzende der Vereinigung der Vietnamesen in Berlin und Brandenburg.

Als noch schlimmer empfand Son die Formulierung im Artikel 4, der die „Übernahme von bereits ausreisepflichtigen Vietnamesen“ regelt. Ausreisepflichtig seien nämlich alle, die Sozialhilfe empfangen oder bei einer Kündigung nicht binnen zweier Monate einen neuen Job gefunden haben. In dieser Rechtsunsicherheit sei keinerlei Lebensplanung möglich. Obwohl viele der früheren DDR-VertragsarbeiterInnen schon seit 1987 hier lebten, werde ihnen der gefestigte Aufenthaltsstatus der „Gastarbeiter“ im Westen verweigert.

Auf massive Kritik stößt auch der Artikel 3 unter dem Titel „Rasche Rückführung von Straftätern und Beschuldigten“. Im Vietnamesischen werde „Beschuldigter“ mit „Angeklagter“ übersetzt, so Hung Nguyen von der Berlin- Brandenburg Auslands-Gesellschaft. Sollten nun also auch Angeklagte, die vor Gericht freigesprochen werden, abgeschoben werden dürfen? Oder gar Beschuldigte, deren Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist?

Ein weiterer Kritikpunkt: Die im Abkommen festgelegte umständliche Identitätsfeststellung der Abzuschiebenden schütze – in völliger Verkehrung der politischen Absicht zumindest der deutschen Seite – die Schwerkriminellen und bedrohe die kleinen Leute. Es sei zu befürchten, daß diejenigen, deren Papiere in Ordnung seien, wegen eines kleinen Deliktes oder eines abgelehnten Asylverfahrens zuerst abgeschoben werden, weil man ihrer am schnellsten habhaft werde. Die illegal hier lebenden Drahtzieher der Zigarettenmafia aber seien viel besser geschützt, weil sie unter falschem Namen agieren. Ute Scheub

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