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„Bombardieren, einfach bombardieren“

■ Adriano Sofri, der frühere Chef der italienischen Arbeiter- und Studentenbewegung „Lotta continua“, berichtet für die Parteizeitung der Linksdemokraten, „L'Unità“, aus Sarajevo

Frage: Herr Sofri, wie wird ein gestandener Linker wie Sie zum „Interventionisten“?

Adriano Sofri: Das ist ein Standpunkt, den ich schon früher, vor gut zwei Jahren, in einem Artikel erläutert habe. Dieser Beitrag wurde aber nicht beachtet. Ich sagte damals, und ich wiederhole das jetzt, daß da auf dem Balkan kein Krieg herrscht, sondern daß es sich dabei um eine bewaffnete Aggression der bosnischen Serben gegenüber einer multiethnischen Gemeinschaft handelt, die der Einfachheit halber muslimisch genannt wird. Dies ist eine Tatsache, und die muß hingenommen werden, wie sie eben ist: In Bosnien werden die Menschenrechte verletzt, und diesen bewaffneten Kriminellen muß man mit Hilfe einer internationalen Polizeiaktion begegnen.

Sie sind also für ein sofortiges bewaffnetes Eingreifen?

Die von der internationalen Staatengemeinschaft unterlassene Unterstützung für Sarajevo ist meines Erachtens vergleichbar mit jener Haltung, die während des Zweiten Weltkrieges die Ausrottung der Juden ermöglicht hat. Seinerzeit rechtfertigte man sich damit, daß man lange Zeit nicht wußte, was in den Konzentrationslagern der Nazis passierte. Heute gibt es diese Ausrede nicht, denn das Fernsehen sendet die sich immer wiederholenden Horrorszenen Tag für Tag in unsere Wohnungen.

Ist die Zeit der Diplomatie also abgelaufen?

Die Diplomatie ist niemals eine Alternative zum Einsatz von Gewalt. Ich glaube an die Politik, aber in Bosnien gibt es keinen anderen Weg mehr. Seit drei Jahren mittlerweile hält das Scheibenschießen auf die Schwächsten der Schwachen an – mit der mehr oder weniger interessierten Komplizenschaft des Westen. Die Völkergemeinschaft hat feierliche Schutzverpflichtungen in Form von UNO-Resolutionen übernommen. Alles bittere Enttäuschungen. Mit dem internationalen Embargo, das den Bosniern den Kauf von Waffen verwehrt, hat man diese Menschen bislang daran gehindert, ihre Selbstverteidigung effektiv zu organisieren. Damit wurde die Völkergemeinschaft zum Komplizen der Serben.

Und wie soll man die bosnischen Serben aufhalten, sie daran hindern, jetzt auch die UN-Schutzzonen einzunehmen?

Bombardieren, einfach bombardieren: die Artilleriestellungen, dazu die Munitionsdepots und die Kasernen, von denen die mörderischen Angriffe der bosnischen Serben ausgehen, die die Menschen in Sarajevo vorsätzlich umbringen. Das Interview führte

Anna Jannello für das italienische

Wochenmagazin „Panorama“

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