Unterschriften gegen Springer

■ Proteste gegen die Umbenennung der Lindenstraße / Senat verstößt gegen eigene Bestimmungen / Springer nicht die Nr. 1

In Kreuzberg gibt es die ersten Anwohnerproteste gegen die Umbenennung der Lindenstraße nördlich der Kochstraße in Axel- Springer-Straße. Etwa 60 Unterschriften hat das im Bund Deutscher PfadfinderInnen organisierte freie Trägerprojekt „Alte Feuerwache“ gesammelt und Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) überreicht. Die in der Lindenstraße 40/41 ansässige Feuerwache, in der ab September ein Bettenhaus mit 62 Betten eröffnet wird, fürchtet unter anderem, daß die zum 1. November geplante Umbenennung „nicht bei allen Menschen eine positive Assoziation weckt“. Verkehrssenator Haase wird deshalb aufgefordert, sich beim Senat für eine Änderung des Umbenennungsbeschlusses einzusetzen.

Ein Sprecher des Verkehrssenator betonte dagegen, daß das Umbenennungsverfahren bereits in vollem Gange sein. Bereits Ende August werde die Umbennenung der Lindenstraße in Axel-Springer-Straße im Amtsblatt veröffentlicht. Die sofortige Vollziehung der Anordnung wurde ebenfalls angeordnet. Im Klartext: Etwaige Klagen gegen die Umbenennung hätten keine aufschiebende Wirkung. Der Verkehrssenator hatte das Verfahren an sich gezogen, weil es bei den zuständigen Bezirksämtern in Mitte und Kreuzberg keine Mehrheit für die umstrittene Ehrung für den Gründer des Springer-Konzerns gegeben hat.

Ob die in der Lindenstraße ansässigen Anwohner klagen werden, ist derzeit noch offen. Eine Klage gegen die Umbenennung müßte vier Wochen nach Veröffentlichung im Amtsblatt eingereicht werden. Daß eine Klage gegen die Maßnahme gleichwohl gute Chancen hätte, davon ist Jürgen Karwelat überzeugt. Der Mitarbeiter der Berliner Geschichtswerkstatt verweist auf die Ausführungsbestimmungen der Verkehsverwaltung, derzufolge Umbenennungen nur bei ideologisch bedenklichen Straßennamen zulässig seien. In jedem Falle gelte, so Karwelat, daß eine Straße in diesem Falle ihren historischen Namen zurückbekomme, nicht aber, daß ein historischer Name aus dem Jahre 1723 wie in der Lindenstraße geopfert werde. Karwelat: „Der Senat verstößt damit eindeutig gegen seine eigenen Regeln.“

Während unter einigen Anwohnern bereits das Argument die Runde macht, daß Springer mit der Umbenennung bereits die zweite Straße erhält – das Springer-Hochhaus steht auf dem südlichen Teil der Jerusalemer Straße und damit auf öffentlichem Straßenland – bereitet sich das Kreuzberger Bezirksamt auf die Nachhutgefechte vor. „Wir sind uns sicher“, verrät die Kreuzberger Baustadträtin Erika Romberg (Bündnis 90/ Die Grünen), „daß Springer nicht die Hausnummer eins bekommt.“ Uwe Rada