: „Dies ist der Todesstoß“
Der FC Sevilla und Celta de Vigo wurden aus Spaniens erster Fußball-Liga geschmissen ■ Aus Madrid Reiner Wandler
„Das kann nicht sein, ihr seid ja wohl verrückt“, stieß Luis Cuervas Vilches, Präsident des FC Sevilla, entsetzt aus, als er die Entscheidung des Ausschusses der Profiliga mitgeteilt bekam: Zusammen mit Celta de Vigo wird sein Verein ab sofort aus der ersten Liga in die oberste Amateurliga verbannt. Der Grund: Die Vorstände hatten nicht rechtzeitig alle erforderlichen Unterlagen zur Lizenzverlängerung eingereicht.
Kaum war die Nachricht über den Äther, belagerten Hunderte von wütenden Fans die beiden Clubzentralen. Niemand besaß den Mut, der empörten Anhängerschaft entgegenzutreten und zu erklären, was passiert war. Ein vor wenigen Monaten in Kraft getretenes königliches Dekret wurde den beiden Traditionsvereinen zum Verhängnis. Dem FC Sevilla fehlte eine Bürgschaft über eine Million Mark, Celta de Vigo über eine halbe Million. Die Summe entspricht fünf Prozent des Haushaltes für die kommende Saison. Eine Bürgschaft in dieser Höhe ist – neben der Geschäftsform einer Aktiengesellschaft, regelmäßigen Steuerzahlungen und Offenlegung der Zuschauerzahlen der zurückliegenden Saison – eine von zwölf Bedingungen des neuen Gesetzes. Warum man in Sevilla und Vigo den Stichtag – 31. Juli, Mitternacht – untätig verstreichen ließ, darüber schweigen sich die Vorstände aus.
Als letzte Verzweiflungstat schickte Sevillas Präsident Cuervas einen Scheck über eine Million Mark per Fax, allerdings fehlte die Unterschrift. Aus Vigo trudelte ebenfalls eine Bürgschaft ein. Sie war zwar unterschrieben, datierte aber vom letzten Jahr. „Menschliches Versagen“, so die achselzuckende Entschuldigung, „morgen reichen wir die aktuelle Bürgschaft nach.“ Doch das in Spanien so beliebte mañana will dieses Mal nicht so recht weiterhelfen. Der Ligaausschuß hatte rechtzeitig in einem Rundbrief vor den Folgen eines Regelverstoßes gewarnt.
Meister Real Madrid hätte ums Haar ein ähnliches Schicksal geblüht. Wenige Tage vor dem Stichtag lief Präsident Ramón Mendoza der Kassenwart Juan Miguel Villar Mir mit seinem gesamten Mitarbeiterstab davon. Die Männer von Francos ehemaligem Finanzminister hinterließen die Bücher, ohne sie unterschrieben zu haben, und, schlimmer noch, Villar weigerte sich, für 3,5 Millionen Mark zu bürgen. Zuvor hatte der Kassenwart seinem Chef ein Ultimatum gestellt und den sofortigen Rücktritt des Mendoza-Schützlings und Geschäftsführers Manuel Fernández Trigo, dem er wirtschaftliches Versagen vorwarf, gefordert sowie den Verkauf der Ladenzeile im Stadion Bernabeu, deren Bau den Club 80 Millionen Mark kostete. Mendoza reagierte empört. Sein Lebenswerk veräußern? Niemals. „Wir, die verbleibenden Führungskräfte, sahen uns vor der unangenehmen Lage, auf die Straße zu gehen und die Bürgschaften zusammenzusuchen“, so Mendozas stolzes Resümee, nachdem er in letzter Minute die Unterlagen beim Ligaausschuß eingereicht hatte.
Was jetzt mit den beiden gemaßregelten Clubs passiert, darüber scheiden sich die Geister. Ignacio Nuñez, bis letzte Woche Celta-Präsident (ein Nachfolger wurde noch nicht gewählt), resigniert: „Dies ist der Todesstoß.“ Kämpferischer reagierte der FC Sevilla. Alle Mittel sollen ausgeschöpft werden. Ein kleines, aber entscheidendes Problem kommt dabei auf Cuervas und seine Mannen zu: Das königliche Dekret sieht keinerlei Berufungsverfahren vor. Und die ordentlichen Gerichte wollen mit dem Fall ebenfalls nichts zu tun haben.
Ein Trost bliebe dem FC Sevilla. Der hart erkämpfte UEFA-Cup- Platz geht trotz des Zwangsabstiegs nicht verloren. Bleibt nur die Frage, mit welcher Mannschaft die europäischen Spitzenteams geschlagen werden sollen. Seine millionenschwere Starbelegung wird der einstige Maradona-Club als Amateurmannschaft wohl kaum halten können.
Das dies nicht nur eine finanzielle Frage ist, darauf weist Gerardo Movilla, Vorsitzender der Spielergewerkschaft AFE, hin: „Da die Lage der Unternehmen sich entscheidend geändert hat, haben die Spieler das Recht, vor dem Arbeitsgericht zu klagen. Arbeitsbedingungen und Vertragsziele sind nicht mehr die selben wie bei Vertragsabschluß.“
Wie bei jedem Unglück bleiben auch diesmal diejenigen nicht aus, die schadenfroh feiern können. Die Fans von Albacete und Valladolid dürfen sich glücklich schätzen. Ihre Clubs nehmen die beiden Plätze in der ersten Liga ein.
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