piwik no script img

Ludwig II. als Medienzar

■ In ihrem Film über den bayrischen Traumkönig haben die schweizerischen Brüder Donatello und Fosco Dubini ein Kammerspiel gescheiterter Idealisten inszeniert

„Es ist kein Verlaß mehr auf die Natur, das Wetter, die Landschaft und nicht einmal auf die Begleiter“, läßt Helmut Berger den von ihm verkörperten Ludwig ernüchtert resümieren. Im Jahre 1881 ausgezogen, sich mit dem Schauspieler Josef Kainz (Max Tidof) zu den Schauplätzen von Schillers „Wilhelm Tell“ zu begeben, steht er am Ende gescheitert vor seiner Bildungsreise, die eine Initiation hätte werden sollen. Man reiste unter den Namen eines Männerpaares aus einem Drama Victor Hugos. Vor der Kulisse des Vierwaldstätter Sees und des Rütli-Gipfels soll der junge Schauspieler ihm in Privatvorstellung aus Schillers Heldendrama von 1803 rezitieren.

Der phantasievolle Monarch mit dem Hang zu gigantomanen Bauten und idiosynkratischen Vorlieben läßt nichts unversucht, seinem Begleiter den gehobenen Sinn der Exkursion vor Augen zu führen. Ludwig ergeht sich in kryptischen Tagesbefehlen und einer rätselhaften Zahlenmystik. So entwickelt sich eine tragische Reisegemeinschaft, die auf wechselseitiger Instrumentalisierung fußt. Soll für Ludwig der literarische Rahmen die Klassenunterschiede suspendieren und eine idealistische Beziehung über die Ästhetik etablieren, fühlt sich Kainz nur vordergründig geehrt und hofft auf die Beförderung seiner Karriere.

Die regieführenden Brüder Donatello und Fosco Dubini setzen ihren ersten Spielfilm betont elegisch in Szene. Obwohl fast ausschließlich im Freien gedreht, wirkt die Inszenierung kammerspielartig, konzentriert sich ganz auf den Konflikt der Protagonisten und die theatralische Vision der Ludwig-Figur. Die Erfinder Siemens und von Bülow treten auf, der König hat sie mit dem Bau von Windmaschinen, Phonographen und Lichtanlagen beauftragt, um die schwache Natur zu imitieren und im Ereignis zu ersetzen. Ludwig, Vorläufer filmischer Imagination, ein verkannter Medienzar?

Max Tidof chargiert als Kainz überzeugend drauflos und gibt den ehrgeizigen Jungschauspieler als vom Schicksal überforderte Figur. Nach zwanzig Jahren spielt Helmut Berger zum zweiten Mal die Rolle des Ludwig, die ihn in Viscontis „Ludwig II.“ bekannt machte. Beinahe minimalistisch wirkt sein Auftritt, jede Geste von unbestreitbar royaler Grandezza. Schon Romy Schneider hatte als Kaiserin Elisabeth bei Visconti ein ironisches Doppel der Sissi ihrer Filmjugend gespielt. Bei Helmut Berger und den Dubinis dagegen scheint hinter dem melancholisch- verhärmten Gesicht des Darstellers sowohl die authentische als auch die filmgeschichtliche Ludwig-Figur auf. Im Gewand einer Tragögie der Wiederholung: Denn wie es für Ludwig nicht die erste Eskapade zu den schweizerischen Gestaden war, so wiederholte auch Josef Kainz später den Trip haargenauso mit seiner späteren Verlobten. Gudrun Holz

Ludwig 1881, bis 16. 8., Filmbühne Steinplatz, Hardenbergstraße 12, Charlottenburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen