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Beamtenarbeit ist schwer zu messen

Verwaltungsreform: Der „Produktkatalog“ ist fertig und listet jetzt 1.600 Behördenleistungen auf. Wie aber mißt man „Sitzungsarbeit“? Die Mitarbeiter sollen Tagebuch führen.  ■ Von Barbara Dribbusch

Der Ausschuß für Verfassungsschutz im Parlament ist eine öde Angelegenheit: bohrende Fragen der Bündnisgrünen Renate Künast, magere Antworten von Kanzleichef Volker Kähne (CDU). Heraus kommt nichts. Rechnet man die Gelder für die elf Abgeordneten, das Gehalt des Kanzleichefs und andere Unkosten zusammen, dürften diese Sitzungen jedesmal einige tausend Mark kosten. Wieviel genau, wird der Steuerzahler wohl niemals erfahren: die „politische Ebene“ blieb ausgespart beim neuen „Produktkatalog“, mit dem im Zuge der Verwaltungsreform erstmals Behördenleistungen kostenmäßig erfaßt werden sollen.

In seiner „Nullversion“ liegt das sieben Leitzordner starke Sammelwerk jetzt vor, von Behördenmitarbeitern schon augenzwinkernd „Schrankware“ genannt und in seinem Umfang „bundesweit einmalig“, so Norbert Silbereisen, Verwaltungsreformexperte bei der Senatsinnenverwaltung. In der 1.600 „Produkte“ umfassenden Liste sind die Verwaltungsleistungen der Bezirke und vierer Hauptverwaltungen definiert, ab September sollen der Zeitaufwand und die genauen Kosten pro „Produkt“ ermittelt werden.

Schon jetzt aber zeigt sich, wie schwierig es ist, Behördenleistungen zu standardisieren. In der Produktliste stehen beispielsweise die Bearbeitung des „pauschalierten Wohngelds“ (Produktnummer 61730) und der „Sozialpädagogische Dienst für Migranten“ (Nummer 60723) neben Produkten wie „Gremienarbeit“ und „Pressearbeit“. Die „Aufarbeitung und Betreuung östlicher Stiftungen“ und die „Bereitstellung von Mitteln für das Haus des Älteren Bürgers“ werden genauso als „Produkt“ betrachtet wie die „politische strategische Beratung und Planung“.

Auf jedem „Produktblatt“ sollen eigentlich „Qualitätsindikatoren“ vermerkt sein. Während bei der Bearbeitung des „pauschalierten Wohngelds“ beispielsweise die „Durchlaufzeit“ ein Qualitätsindikator ist, fehlt ein solcher Hinweis jedoch beim Produkt „politische strategische Beratung und Planung“ und bei der „Pressearbeit“. Da heißt es schlicht: „keine Qualitätsindikatoren“. „Vieles ist als Produkt eben nur schwer handhabbar“, meint Reformexperte Silbereisen. Die „Produkte“ sollen ohnehin nur die Arbeit von Verwaltungsbeamten und -angestellten beschreiben. Senatoren, Staatssekretäre und Personalräte bleiben außen vor und müssen sich auch nicht an der Zeitermittlung beteiligen. „Es war zwar angedacht, auch für die politischen Ebenen einen Produktkatalog zu erstellen, aber dazu ist es nicht gekommen“, schildert Eike Schnödt, Controllerin für die Verwaltungsreform im Bezirk Wilmersdorf. Eine Bezirksangestellte unkt: „Das gäbe Sprengstoff, wenn man mal ausrechnen würde, was ein Senator die Woche über so produziert.“

Um die genauen Kosten für jedes Produkt zu ermitteln, müssen einige zehntausend Verwaltungsmitarbeiter ab September täglich Buch darüber führen, wieviel Zeit sie etwa für Sozialhilfebescheide und Wohnberechtigungsscheine aufwenden. Hinzugerechnet werden Sach- und Investitionskosten. Der gesamte Aufwand wird dann heruntergerechnet auf jedes „Produkt“. Am Ende soll auf jedem „Produktblatt“ im Katalog der genaue Kostenaufwand stehen – ein ehrgeiziges Unterfangen.

Das glaubt inzwischen auch der Landesrechnungshof. Es müsse geklärt werden, ob die Kosten-Leistungs-Rechnung tatsächlich „in allen Teilen der Berliner Verwaltung zweckmäßig und sinnvoll ist“, rügten unlängst die Finanzexperten. Immerhin verschlingt die Kosten-Leistungs-Rechnung ein gut Teil der insgesamt 40 Millionen Mark teuren Verwaltungsreform. Man sehe „das Ziel der Verwaltungsreform vor lauter Produktblättern nicht mehr“, beklagte sich unlängst auch der Kreuzberger Bezirksstadtrat Dirk Jordan. Der Reformprozeß müsse jetzt mehr „auf die praktische Ebene“ verlagert werden.

Da spielen interessanterweise gerade die östlichen Bezirke die Vorreiter: In Weißensee und Köpenick können sich Ratsuchende schon seit längerem in sogenannten Bürgerämtern Sozialhilfeanträge ausfüllen oder die Lohnsteuerkarte ändern lassen. In Köpenick plant Bezirksamtsleiter Jürgen Barsch auch gleich die nächste Neuerung. Von September an wird das Standesamt als eigenständiges Leistungszentrum ein eigenes Budget verwalten – und eine Trauung „mit Sonderwünschen“ einführen. Wer will, kann sich dann auf dem Schiff trauen lassen, im Beisein des „Hauptmanns von Köpenick“.

Das kostet natürlich ein bißchen, aber erstens ist der Extraservice freiwillig, und zweitens ist „die Trauung schließlich ein wichtiger Moment im Leben“, ist Barsch überzeugt. In den Ostbezirken haben laut einer Emnid-Umfrage denn auch 47 Prozent der Berliner von der Verwaltungsreform „gehört“, im Westen waren dies nur 37 Prozent. „Im Osten mußten wir doch immer etwas flexibler sein“, grinst Barsch.

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