: Rüstungsdeal mit tödlichen Folgen
Über die taiwanesische Korruption bei der illegalen Rüstungsbeschaffung, den Mord an einem hohen Marine-Beschaffungsoffizier und über eine verschwiegene Spur nach Bremen ■ Aus Bremen Klaus Wolschner
Im November 1993 besuchte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier mit einer handverlesenen Delegation von Rüstungsindustriemanagern Taiwan. Mit in der Delegation: der Besitzer der Lürssen-Werft, Friedrich Lürssen, sein Geschäftsführer Friedjof Schmidt, ein Manager der Vulkan.
Die Reise ist brisant: Nach Taiwan, von Rotchina als „abtrünnige Provinz“ nicht anerkannt, dürfen Waffen nicht geliefert werden. Aber Taiwan ist hochinteressiert an modernen elektronischen Waffen, wie sie von Abeking & Rasmussen oder in Bremen von Lürssen und der Vulkan-Elektronik- Tochter STN etwa für die Bundeswehr produziert werden.
Keine drei Wochen nachdem die Wedemeier-Delegation abgereist war, wurde in Taiwan der Leiter des Beschaffungsamtes der Marine, der hochrangige Offizier Oberst Yin Ching feng, ermordet. Er war auf dem Weg zu einer Frau abgefangen worden, die aus Bremen nach Taiwan geflogen war, um ein illegales Rüstungsgeschäft zu vereinbaren.
Zwei Jahre lang hat der Bremer Rüstungsexportgegner Rainer Kahrs recherchiert, um die Hintergründe des Wedemeier-Besuchs auf Taiwan und die Zusammenhänge des Mordes herauszufinden. Auf Taiwan kam als Folge des Mordes der größte Korruptionsskandal in der Geschichte des Militärs dieses Landes ans Tageslicht. 20 Offiziere wurden bestraft, drei Generale angeklagt, der Chef der Marine mußte zurücktreten. In Deutschland und speziell in Bremen herrscht dagegen Schweigen. Werftmanager von Abeking & Rasmussen wurden wegen Umgehung von Exportverboten angeklagt und akzeptierten ohne großes Aufheben eine Geldstrafe. Das, so glaubt Rüstungsexport- gegner Rainer Kahrs, war damals die Chance von Lürssen, ins Geschäft zu bekommen.
Im Beschaffungsamt der Marine in Taiwan, so kam bei einem Untersuchungsausschuß in Taipeh heraus, gab es eine engagierte Lobby für exklusive Geschäfte mit Abeking & Rasmussen. Kuo Li heng, ein hoher Mitarbeiter des Beschaffungsamtes, gestand, er habe „von der Firma Shan, einer Vertretung der deutschen Firma Abeking & Rasmussen, umgerechnet 200.000 Mark als Geschenk angenommen“. Taiwanesische Oppositionspolitiker schätzen dem Umfang der Bestechungsgelder aus dem Kontext des Minenkampfboot-Geschäftes auf ein vielfaches der Summe, nämlich auf 90 Millionen Mark. Kuo Li heng gilt als Kopf der Abeking-Freunde, der das Geld verteilte. Er war es auch, der als letzter mit dem Chef des Beschaffungsamtes, Yin Ching feng, gesprochen hatte. Der wollte wenige Tage nach der Wedemeier- Visite mit der aus Bremen angereisten Frau das Geschäft mit Lürssen klarmachen – die wartete drei Stunden vergeblich im Hotel Ritz in Taipeh. Auf dem Weg zu dem vertraulichen Termin wurde Oberst Yin von Kuo Li heng im Auto telefonisch benachrichtigt – und tauchte erst wieder als toter Mann im Meer auf.
Als ein ziviler Gerichtsmediziner die Leiche untersuchte und die eindeutigen Spuren eines brutalen Mordes feststellte, kam der Korruptionsskandal in der taiwanesischen Rüstungsbeschaffung ins Rollen. Die Ermittlungsergebnisse sind aber weitgehend Geheimnis der Militärstaatsanwaltschaft Taiwans.
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