: Krieg zwischen Kroaten und Serben
■ Die kroatischen Einheiten stehen angeblich nur wenige Kilometer vor der Krajina-Hauptstadt Knin. Zahlreiche Regierungen fordern die Einstellung der Kämpfe. UN-Posten wurden von Kroaten überrannt.
Berlin (AP/dpa/taz) – Auf dem Balkan hat gestern ein neuer Krieg begonnen: Mit einem Großangriff von drei Seiten setzten die kroatischen Streitkräfte zur Rückeroberung der Krajina an. Nach Angaben einer UN—Sprecherin in Zagreb wurden am Nachmittag mehrere UN-Beobachtungsposten von kroatischen Kampfjets beschossen. Die Blauhelmsoldaten seien anschließend ultimativ zum Abzug aufgefordert worden.
Wenige Stunden nach Beginn der Offensive stand die Krajina- Hauptstadt Knin teilweise in Flammen. Die Militärführung in Zagreb meldete Geländegewinne an allen Fronten; kroatische Truppen sollen die serbischen Linien an 30 Stellen durchbrochen haben und nur noch zwei Kilometer vor Knin stehen.
Die kroatische Armee begann ihre Offensive um 5.00 Uhr morgens; 100.000 Soldaten waren an der Grenze zur Krajina zusammengezogen worden. Die Serben mobilisierten rund 50.000 Mann. Der kroatische Präsident Franjo Tudjman begründete die Offensive in einer Rundfunkansprache damit, daß alle Versuche einer friedlichen Wiedereingliederung der Krajina fehlgeschlagen seien.
Das erste Ziel der Offensive war Knin, die Stadt wurde intensiv mit Granaten beschossen. Später bombardierten kroatische Kampfflugzeuge nach Angaben des UN- Kommandeurs in Knin, Andrew Leslie, die Stadt Gracac, 40 Kilometer nordwestlich von Knin. Weiter nördlich wurden serbische Ziele nahe der Stadt Gospic aus der Luft angegriffen. Die dritte Stoßrichtung der Offensive zielte auf die Umgebung von Petrinja, rund 50 Kilometer südöstlich von Zagreb.
Dort gerieten auch Beobachterposten der Vereinten Nationen unter kroatischen Beschuß. Ein 23jähriger dänischer Blauhelmsoldat wurde getötet. Wie UN-Sprecher Chris Gunness mitteilte, beschossen die Serben Karlovac und Sisak, südlich von Zagreb. Auch die Küstenstadt Šibenik soll angegriffen worden sein. Über die Zahl der Opfer liegen keine verläßlichen Informationen vor.
In Moskau und den westeuropäischen Hauptstädten ist die kroatische Offensive zum Teil scharf verurteilt worden. Bundeskanzler Helmut Kohl forderte den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman in einer „dringlichen Botschaft“ auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bundesaußenminister Klaus Kinkel äußerte zwar Verständnis für die kroatische Reaktion, doch dürften militärische Maßnahmen nicht an die Stelle von Verhandlungen treten. Rußland, Frankreich und Großbritannien forderten ebenfalls die sofortige Einstellung der Kämpfe. Die USA haben anders als ihre Partner in der Kontaktgruppe die kroatische Offensive nicht verurteilt.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bereitet sich auf eine neue Flüchtlingswelle vor. Aus der nördlichen Krajina seien „einige hundert zivile Fahrzeuge“ in Richtung der Grenze unterwegs. gb
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