: „Tooor, Tooor, Tooor!- Schnitt im Kasten“
■ Vor 32 Jahren fiel das erste Tor der Bundesliga / Heute stellen es die Heroen des Fußball nach. / Vierteiliger Dokumentarfilm über die „Geschichte des SV Werder “ dreht heute im Stadion ein legendäres Tor nach.
Heute abend um 18 Uhr 40 werden Altherrenträume wahr. Im Weserstadion haben sich dann sieben 50-70jährige Fußballspieler bereits warmgelaufen, die in der bundesdeutschen Fußballgeschichte Rang und Namen haben: Timo Konietzka, Reinhold Wosab und Lothar Emmerich von Borussia Dortmund; Max Lorenz, Helmut Jagielski, Pico Schütz und Günter Bernard von Werder Bremen. Ungeachtet altersbedingter Kurzatmigkeit oder sonstiger Malaisen ziehen sich die Senioren noch einmal die Fußballschuhe an, denken 32 Jahre zurück – und stellen mit Feuereifer das erste Tor der Bundesliga nach. Denn als am 24. August 1963 im Spiel zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund nach wenigen Sekunden das erste Tor fiel, war die Kamera noch nicht einsatzbereit. Diesmal ist alles bestens organisiert; es geht um ein eine Dokumentarfilmproduktion mit einem Gesamtbudget von immerhin einer halben Million Mark. Die „Geschichte des SV Werder Bremen in Geschichten“ wird in vier Teilen filmisch aufbereitet. Produktion und Regie: Rolf Wolle, der letztes Jahr mit seiner Dokumentation über das legendäre Bremer Varieté „Astoria“ von sich reden machte.
Wolle hat sich viel vorgenommen. „Kaiser, Kühe, Kaufmannssöhne. Die wilden Gründerjahre. Fußball unterm Hakenkreuz. Das Stadion wird zur Festung“: Stichworte zum ersten Teil der Vereinschronik. Der zweite deckt die Zeit von 1945 bis zu eben jenem legendären fehlenden Tor im August 1963 ab. „Die Spieler waren sofort bereit mitzumachen“, sagt Wolle. Zum Ed Wood-Effekt, bei sich die – inzwischen gealterten – Fußballer ihr Trikot über den Kopf halten müßten, damit die Continuity stimmt, wird es nicht kommen: Auf Historisierung legt der Regisseur keinen Wert. Wichtig ist ihm, daß die ZuschauerInnen sehen: Aha, den gibt's noch, der spielt noch, so sieht der heute aus. Und sein Kameramann wird auch den Kameramann des Deutschen Sportfernsehens (DSF) mit ins Bild nehmen, die das anschließende Freundschaftsspiel gegen Sao Paulo aufzeichnen. Der DSF ist einer von Wolles Kooperationspartnern.
Filmaufnahmen aus Archivbeständen, historische Fotomaterial, Zeitzeugenberichte, Interviews, ein Erzähler (stilecht in der Rolle Kneipenwirtes , der durch die Geschichte des Vereins führt – all das sollen dei Filme enthalten. Fraglich nur, in welcher Gewichtung. Denn bewegte Bilder aus dem Archiv sind kostspielig. Etwa 5000 Mark pro Minute verlangen etwa die „Deutsche Wochenschau“ und die „Fox Tönende Wochenschau“ für ihr Material. Zuviel, falls Wolle nicht noch weitere Sponsoren auftreibt, die ihn schon bei der „Astoria“-Produktion weitgehend hängen ließen. „Dann gibt es eben weniger Filmausschnitte; das Werder-Archiv steht mir zur Verfügung, auch daraus kann ich wertvolles Material schöpfen“, sagt er. Unersetzlich sind natürlich auch die Zeitzeugen: „Mein ältester hat 1914 bei Werder gespielt. Er erinnert sich noch, daß der Ball nie über den Holzzaun geschossen werden durfte. Sonst hätte ihn sich gleich die Konkurrenz gekrallt. Lederbälle waren teuer damals.“
Und Filme heute. Die nimmermüde Sparkasse Bremen und die AOK haben schon Gelder zugesagt. „Und andere“, heißt es in der Presse-Information. Die „anderen“ will Wolle aber noch nicht nennen, falls die ihn mit 1000 Mark abspeisen wollen.
Nötig sind aber, wie gesagt, 500.000 Mark. Die Kosten für die vier 30-minütigen Videos, eine geplante 35mm-Kinokopie, eine CD-ROM und dem Buch zum Film. Die sollen über die Kinoauswertung, die Video- und Fernsehausstrahlung, Subskriptionseinnahmen und, last not least, Sponsoren gedeckt werden.
Dokumentarfilme über Fußball im Kinoprogramm? „Die Schauburg und das Kino 46 haben schon Interesse gezeigt“, sagt Wolle. „Die Schauburg ist sowieso ein „Fußball-Kino“. Wichtige Spiele werden für die Fans im Saal per Videobeam gezeigt.“ Und im proletarisch strukturierten Walle sollen die Werder-Anhänger nicht immer nur vor der Glotze hängen, sondern mal wieder ins Kino gehen, eben ins Kino 46.
Und für hartnäckige couch potatoes will Wolle die CD-ROM bereithalten. Er träumt von einem „anklickbaren Stadion“. Von einem „virtuellen Spaziergang“ über die Ränge. Wo sich Schubladen öffnen mit Spielerkarteien, die dann, klick, etwa die Sportler beim Training zeigen. Die CD-ROM soll in Fan-Shops erhältlich sein.
Doch erstmal gibt's „Die Geschichte des SV Werder Bremen in Geschichten“, Teil 1 und 2 (von den Anfängen bis 1963) im Kino. Im Herbst soll es soweit sein.
Alexander Musik
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