: Moruroa im Sommerschlußverkauf
■ Atomtests stoppen, aber wie? / Mäßige Teilnahme bei Mahnwache des Friedensforums
„Das kann doch nicht wahr sein“, kommentiert eine etwa 70jährige am Samstag auf dem Rathausvorplatz die durchaus überschaubare Menge, die sich zur Anti-Atom Mahnwache des Bremer Friedensforums eingestellt hat. „Warum sind denn nicht mehr Menschen hier? Der Marktplatz müßte doch platzen vor Leuten“, fährt sie, dem Weinen nahe, fort. Immerhin sei das aus Blumen gelegte Friedenszeichen in diesem Jahr komplett, sagt sie wie zum eigenen Trost. „Das war ja auch nicht immer der Fall.“
Etwa 150 vorwigend ältere Menschen nahmen an der Mahnwache zum 50. Jahrestag von Hiroshima teil, die ihren aktuellen Bezug im Protest gegen die geplanten französischen Atomversuche auf dem Moruroa-Atoll fand. „Bei weltweit vorhandenen 48.000 Atomsprengköpfen und bisher 2046 erfolgten Atomtests in den letzten 50 Jahren muß jetzt endlich Schluß mit dem Wahnsinn gemacht werden“, meinte Forums-Sprecher Ekkehard Lentz.
Aus diesem Grunde hatte die Initiative ein Telefaxgerät auf dem Marktplatz installiert, um Protestbriefe an Frankreichs Präsidenten Chirac und Bundeskanzler Kohl zu faxen. Darin wird Chrirac aufgefordert, auf die Atombombentests zu verzichten, Kohl erhielt die postalische Bitte, seinen politischen Einfluß auf die französische Regierung geltend zu machen.
Diese Gelegenheit zum Protest nutzten am Ende der Aktion 400 Menschen, doch die meisten zogen es vor, anschließend sogleich in den Schlußverkauf zu eilen, statt sich die Wortbeiträge der eingeladenen RednerInnen anzuhören. Dabei war besonders der von Heinz-Jochen Zenker, Leiter des Hauptgesundheitsamtes, so bestechend, daß er diesen gleich zweimal verlesen mußte (siehe Dokumentation).
Große Einigkeit herrschte im Tenor der vielfältigen Plakate, welche die DemonstrantInnen mitgebracht hatten. Das Schreckensbild einer Daumier-Kopie warnte vor „Chriracs jüngstem Gericht“. Ein älterer Herr teilte den Umstehenden in großen Lettern mit, „jeder Krieg ist ein Durchfall der Vernunft“, ein Jugendlicher rief auf seinem T-Shirt zum „Fuck Chriac“ auf. Weniger einheitlich dagegen die Frage zum Boykott französischer Waren:
Forumssprecher Ekkehard Lentz hat dazu ein „gespaltenens Verhältnis“. Man könne nicht die kleinen Händler für die große Politik verantwortlich machen. Auch Heinz-Jochen Zenker bezeichnet seine Haltung zum Boykott als „ambivalent“. Wenn man analog zu Shell den Druck über einen Boykott auf die französische Regierung konzentrieren könnte, wäre er dafür. „Aber was hat ein französischer Salatbauer damit zu tun?“ Effektiver wäre, wenn der Druck anderer Regierungen auf die französische verstärkt würde.
Derselben Meinung ist die Bürgerschaftsabgeordnete Lisa Hackstein, die namens der Grünen auf dem Marktplatz für die Verhinderung der Atomtests plädierte: „Man kann einen Boykott gegen einen Konzern führen, aber nicht gegen eine Nation.“
Dagegen erhebt sich Widerspruch bei anderen bekannten Bremer Friedensfreunden. Ernst Busche, langjähriger Aktivist, ist „natürlich für Boykott“. Um zu verdeutlichen, worum es dabei geht, solle man nurmehr bei jenen Firmen kaufen, die sich in Frankreich als Gegner der Atomtests geoutet haben. Auch Armin Stolle ist unmißverständlich für Boykott. Die kleinen Händler müßten den dadurch bedauerlicherweise entstandenen Druck weitergeben an die Regierung, lautet seine Taktik.
Die DFG/VK unterstützte den Boykott gleich per Transparent, während die PDS allein ihren Parteiwimpel an die Luft hielt. Man sei für den Boykott, versicherte eine Sprecherin, man sei nur nicht dazu gekommen, ein Flugblatt anläßlich der Mahnwache zu formulieren: „Wir sind hier in Bremen einfach furchtbar wenige Leute.“
War man sich bei der Veranstaltung über die Wege zur Durchsetzung der Ziele auch uneins, so steht man doch hinter den Forderungen, die Heinz-Jochen Zenker in seinem Vortrag konkretisierte: Die Bundesrepublik soll Druck auf Chirac machen, um ihn von den Atomtests abzubringen. Sie solle sich außerdem „im Rahmen ihrer Verpflichtungen in der Nato endlich von der ,Nuklearen Teilhabe' verabschieden.“ Ein Export-Verbot von atombombenfähigem Material müsse nicht nur verhängt, sonder durch eine präzise Kontrolle überprüft werden.
Als letztes forderte der Arzt, der angesichts der globalen Atomgefahren nicht nur nach Frankreich schauen wollte, auch noch den Stopp des geplanten Garchinger Forschungsreaktor-Projektes, das hochangereichertes Uran liefern soll. dah
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen